Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 1

DIE ANKUNFT


Kapitel 68: Die Stimmen des Nebels

Örtlichkeit: Yuruparí-Region – Amazonas-Nebelwald
Leitmotiv
: Was sich nicht zeigt, kann dennoch führen

Der Nebel kam früh an diesem Morgen – dichter als sonst, schwer wie eine Decke aus flüssigem Schweigen.
Naima saß am Rand der Lichtung, wo einst der erste Replikant gestanden hatte. Der Boden war trocken, aber unter der Oberfläche spürte sie die Feuchtigkeit des Erwachens.

Die Tiere verhielten sich anders.

Keine Flucht. Keine Rastlosigkeit.
Nur ein leises Verschieben ihrer Muster.
Die Vögel riefen nicht mehr im Chor, sondern in Intervallen.
Ein Ruf. Dann Stille. Dann Antwort.

Der Rhythmus – das hatte sie begriffen – war nicht gleichförmig.
Er atmete.
Er zog sich zusammen, dehnte sich aus, verschob sich von Ort zu Ort wie ein wandernder Gedanke.

Naima hatte aufgehört, Fragen zu stellen.
Sie zählte nicht mehr, maß nicht mehr, hielt nichts fest.
Sie war nur da.
Und das, so schien es ihr, war genug.

Im Nebel begann sich ein Licht zu formen.
Kein Licht im eigentlichen Sinn – mehr ein Glimmen, das sich durch die Schwaden zog wie Glut unter Asche.

Dann bewegte sich etwas.

Ein Replikant.
Oder das, was sie als solchen erkannt hatte.

Er war nicht sichtbar, nur spürbar. Wie ein Schatten hinter geschlossenen Augen.

Und doch wusste sie, dass er sie wahrnahm.

Naima legte eine Hand auf den Boden.
Nicht als Geste. Nicht als Bitte.
Sondern als Antwort.

Letzter Satz:
Der Nebel zog sich zurück – aber was blieb, war das Gefühl, dass sie gesehen worden war.