Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 1

DIE ANKUNFT


Kapitel 67: Der Himmel über Seoul

Örtlichkeit: Seoul – Ufer des Han-Flusses
Leitmotiv: Die Stille zwischen den Pulsen der Welt

Min-ho stand auf der alten Brücke, die sich über den Han-Fluss spannte. Unter ihm floss das Wasser langsam, beinahe zögernd, als hätte auch der Fluss begonnen, den neuen Rhythmus zu spüren.

Die Stadt hinter ihm war nicht still – nicht wirklich. Autos fuhren, Stimmen hallten über die Dächer, Monitore flackerten in den Fenstern. Und doch war da etwas anderes.

Ein Innehalten.

Seit Tagen hatte es keine neuen Erscheinungen gegeben. Kein Schiff hatte sich bewegt. Kein Lichtmuster, keine neue Störung.

Nur der Himmel – weit, leer, und dennoch voll von etwas Unsichtbarem.

Min-ho spürte, wie die Menschen sich veränderten. Nicht schnell. Nicht dramatisch. Sondern schichtweise, wie das Abblättern alter Farbe.

Er sah es in den Blicken der Passanten, die öfter in den Himmel schauten. Im Tonfall der Lehrer, die begannen, Fragen zuzulassen, die früher verboten waren.

Es war kein Widerstand mehr. Kein Gehorsam.
Es war… ein Zwischenraum.

Und in diesem Zwischenraum wuchs etwas, das er nicht benennen konnte.

Min-ho berührte die Brüstung der Brücke. Sie war kalt. Wirklich kalt. Und gleichzeitig schien etwas darin zu pulsieren – wie ein Echo aus dem Erdreich, das sich nun auch durch Stein und Stahl zog.

Vielleicht, dachte er, war dies kein Ende. Vielleicht war es ein Moment vor der Umkehr.

Letzter Satz:
Min-ho hob den Blick – und für einen Augenblick glaubte er, der Himmel hätte geantwortet.