Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 3

Das letzte Licht


Kapitel 206: Kein Name für das, was wir sind

Örtlichkeit: Der Nullsektor – Zwischen Sein und Werden
Leitmotiv: Die Suche nach Identität in einem namenlosen Raum

Die Leere war kein Vakuum. Sie war ein Flüstern. Kein Klang, den man hörte, sondern einer, den man fühlte – tief in den Knochen, wie das Zittern einer Erinnerung, die noch nicht sterben wollte.

Kalima spürte es zuerst. Nicht als Gedanken, sondern als ein Widerstand gegen das Verlorengehen. Ihre Hände, die sonst ruhig über die Instrumente glitten, zogen sich zusammen, als wollten sie etwas festhalten, das ihr entschwand.

Ashir blickte auf die flimmernde Anzeige, doch die Zahlen hatten sich aufgelöst, zu einem wirren Muster, das sich ständig neu formte. Es war keine technische Störung. Es war ein Signal. Ein Ruf aus dem Nichts.

"Es ist nicht nur Schweigen", flüsterte Ashir. "Es ist ein Flüstern. Verstehst du?"

Kalima nickte, obwohl keine Antwort nötig war. Zwischen ihnen entstand ein Raum voller unausgesprochener Fragen.

Duran lauschte dem Rumpf des Schiffes, das sich wie ein lebendiges Wesen anfühlte, das Schmerzen kannte, die keiner benennen konnte. Plötzlich zuckte das Schiff, als ob es selbst das Flüstern hörte – eine Warnung, oder ein Befehl.

Die Xhorr-Kinder erwachten aus ihrer Trance, ihre Augen leuchteten matt in der Dunkelheit. Ohne ein Wort zu sagen, begannen sie, mit ihren Händen durch die Luft zu weben – Formen, die sich zu Erinnerungen verdichteten, zu Bildern von fernen Welten und verlorenen Stimmen.

"Sie zeigen uns, was war", murmelte Kalima. "Oder vielleicht, was sein könnte."

Doch die Bilder waren flüchtig, zerbrechlich, wie Träume, die im Morgengrauen zerfließen.

Dann, ohne Vorwarnung, brach das Flüstern in ein Dröhnen aus, das durch das Schiff hallte. Ein Energieausbruch, der weder gefährlich noch beruhigend war, sondern einfach da – als Zeichen, dass sie nicht mehr allein waren.

Ein Riss öffnete sich in der Realität – kaum sichtbar, doch spürbar wie ein kalter Atem auf der Haut.

Kalima griff nach Ashirs Hand. "Wir sind am Rande von etwas. Etwas, das uns verändern wird."

Duran sah zu den Kindern, deren stille Präsenz nun mächtiger wirkte denn je. "Vielleicht ist das der Anfang – nicht das Ende."

Sie alle wussten es nicht genau. Aber sie spürten es in der Tiefe: Das Schweigen war gebrochen. Und mit ihm begann die erste Rebellion.


Der letzte Satz:
Sie waren verloren. Aber vielleicht war das erst der Anfang.