Die Sage vom Brigittenschloss
Sasbachwalden: ein Dorf im Schwarzwald
Hoch über dem heutigen Sasbachwalden – auch Sasswalle genannt – liegen die Ruinen des Brigittenschlosses. Geborstene Mauern, ein gestürzter Turm, Steine, die schweigen wie nach einem Schrei. In ihnen wohnt eine alte Geschichte von Macht, Fluch und Geheimnissen, die nur jene entdecken, die genau hinschauen.
Einst herrschte hier der Ritter von Hohenrod. In jungen Jahren war er mutig und gerecht, schützte die Felder und Wälder des Tales. Doch als eine Pest die Täler heimsuchte und viele Menschen dahinraffte, blieben die Dörfer leer und die Straßen still. Die Jahre und das Leid machten ihn hart. Aus Angst, alles zu verlieren, häufte er Gold an, das den Bauern gehörte. Als das Volk sich erhob und Fackeln im Tal aufleuchteten, floh er in einer Nacht, in der Sturm und Donner den Himmel zerfetzten.
Tief in den Gewölben verbarg er seine Beute und rief mit bebender Stimme in die Nacht:
"Was mein ist, bleibt mein! Wer es rauben will, soll im Sturm vergehen!"
Da trat Brigitta hervor, Patronin von Sasswalle. Der Wind legte sich, als sie sprach – ruhig, aber mit einer Kraft, die durch die Mauern drang:
"Du hast aus Angst gesammelt, nicht aus Not. Dein Fluch soll das Tal nicht verderben. Dein Name mag verwehen, doch die Mauern werden wachen. Wer mit Gier kommt, wird sich verlieren – doch wer reinen Herzens wandelt, wird erkennen, was das Schloss bewahrt."
Der Ritter starrte sie an, die Augen voller Trotz und Müdigkeit. Dann lachte er bitter, ein Echo aus der Tiefe:
"Dann mögen die Steine selbst mein Grab sein. Vielleicht sind sie das Einzige, das mir noch gehorcht."
So geschah es. Die Mauern zerbarsten, der Turm sank, und das Geheimnis des Ritters verschmolz mit der Burg. Viele, die aus Gier kamen, fanden nur Nebel, Sturm und Verwirrung.
Doch eines Abends stieg ein Wanderer über die Ruinen, ohne Gold zu suchen – nur um die Stille zu spüren. Zwischen den Mauern öffnete sich der Nebel wie ein Vorhang, und vor ihm lag die Rheinebene, weit und golden im Licht der sinkenden Sonne.
Er hielt den Atem an. In diesem Moment spürte er, dass etwas ihn ansah – nicht mit Augen, sondern mit Erinnerung. Die Luft war still, doch sie trug eine Botschaft.
"Ich kam mit leeren Händen," dachte er, "und doch trage ich mehr fort, als ich je hätte tragen können."
Als er sich umwandte, stand sie dort – oder war es nur der Nebel? Eine Gestalt auf den Zinnen, still und aufrecht. Kein Schatten der Warnung, sondern ein Blick, der sah, ohne zu urteilen. Und der blieb, auch als der Nebel sich wieder schloss.
Die Alten von Sasswalle sagen seither: Wer mit offenem Herzen kommt, dem zeigt Brigitta den wahren Schatz der Burg – nicht Gold, nicht Reichtum, sondern die Schönheit und Weite, die alle Gier überdauert.
© 10.09.2025 Gerd Groß
Rezension zur Sage vom Brigittenschloss
Die Sage vom Brigittenschloss ist ein atmosphärisch dichtes, poetisch erzähltes Stück regionaler Mythologie, das weit über eine einfache Geistergeschichte hinausgeht. Sie verbindet Natur, Geschichte und Moral zu einem eindrucksvollen literarischen Erlebnis.
Stimmung und Sprache
Die Sprache ist bildhaft und eindringlich, mit starken Metaphern wie "Steine, die schweigen wie nach einem Schrei" oder "der Nebel öffnete sich wie ein Vorhang".
Die Erzählung lebt von Kontrasten: Licht und Dunkel, Gier und Reinheit, Sturm und Stille.
Der Ton ist feierlich und geheimnisvoll, fast sakral – passend zur spirituellen Tiefe der Geschichte.
Inhaltliche Tiefe
Die Figur des Ritters von Hohenrod verkörpert den Wandel vom gerechten Herrscher zum von Angst getriebenen Geizigen – ein klassisches Motiv, das hier mit emotionaler Wucht erzählt wird.
Brigitta als Patronin ist nicht nur eine moralische Instanz, sondern auch eine Hüterin der natürlichen Ordnung. Ihre Worte sind ruhig, aber durchdringend – ein schöner Kontrast zur tobenden Natur.
Die Botschaft ist klar und zeitlos: Wahre Schätze sind nicht materiell, sondern geistig und emotional. Wer mit reinem Herzen kommt, wird belohnt – nicht mit Gold, sondern mit Erkenntnis und Schönheit.
Symbolik und Wirkung
Die Burg steht als Symbol für Erinnerung, Geschichte und innere Haltung. Sie ist nicht nur ein Ort, sondern ein Spiegel der menschlichen Seele.
Der Wanderer am Ende ist ein starkes Bild für den modernen Menschen, der sucht, aber nicht fordert – und dadurch empfängt.
Die letzte Szene mit der Gestalt im Nebel ist subtil und offen – sie lässt Raum für Interpretation und Nachklang.
Fazit
Eine meisterhaft erzählte Sage, die nicht nur unterhält, sondern berührt. Sie lädt dazu ein, innezuhalten, nachzudenken und sich selbst zu fragen: Mit welchem Herzen begegne ich der Welt?
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