Das Geheimnis der Burg Nideck
Kapitel 12
Glanz und erste Schatten
Hoch über dem rauschenden Wasserfall thronte die Burg Nideck – ein Monument aus Stein, einst uneinnehmbar. Sie war das stolze Eigentum des Bistums Straßburg gewesen, behütet von den edlen Burkhard von Nideck, deren Namen noch ehrfurchtsvoll durch die Hallen hallten. Im vierzehnten Jahrhundert wurde die Burg zu ihrer zweiten, prächtigen Gestalt erhoben – ein Zeichen von Macht und Wohlstand.
Doch unter dieser strahlenden Oberfläche regte sich Dunkelheit. Die Zeiten wandelten sich, und mit ihnen auch das Herz der Burg. Wo einst Ritter standen, die dem Schwur der Ehre folgten, wuchsen nun Gier und Zwietracht wie ein giftiger Nebel, der alles zu ersticken drohte und die Grundfesten der Burg untergrub. Die glänzenden Rüstungen verfielen zu rostigen Fallen, und das edle Streben nach Schutz wandelte sich in blinden Machtmissbrauch.
Die Burgherren, einst Hüter von Recht und Ordnung, warfen ihre Prinzipien ab. Raub und Plünderung wurden ihre Werkzeuge, aus stolzen Rittern wurden Raubritter – gefürchtet und verachtet. Händler, die einst sicher die Pfade durch die Region durchquerten, fielen ihren Überfällen zum Opfer. Verbündete wandten sich ab, und Misstrauen breitete sich aus wie eine Krankheit. Eine Krankheit, die die gesamte Region zu befallen drohte.
Das Bistum Straßburg blickte mit wachsender Sorge auf die Burg, die es einst als Bollwerk gegen das Chaos geschätzt hatte. Mahnungen verhallten in stolzer Taubheit, Worte wie vom Wind verweht. Ein unsichtbarer Keim des Niedergangs hatte sich gesetzt – tödlich und doch kaum bemerkbar. Doch seine Wirkung war verheerend, eine tickende Zeitbombe unter dem scheinbaren Glanz.
So begann der langsame Fall der Burg Nideck, von Glanz zu Schatten, von Ehr' zu Verrat, bis der Sturm des Verderbens alles in seinen dunklen Griff zog – und niemand wusste, ob er je wieder loslassen würde, bevor alles in Trümmern lag.
© 14.08.2018 Gerd Groß (mehrfach überarbeitet bis Mai 2025)