Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 3

Das letzte Licht


Kapitel 268: Kalimas Resonanz

Örtlichkeit: Ein Ort der Not/Krankheit
Leitmotiv: Heilung durch Verbundenheit

Der Ort war voll von Seufzern.

Sie nannten ihn das "Lager der Rückkehrer", aber es war kein Heim. Nur Zelte, zusammengeflickt aus Stoff und Hoffnung, feuchte Matten auf nacktem Stein, und dazwischen Körper, die zitterten wie Blätter im Wind.

Kalima trat ein, barfuß.

Der Boden unter ihr war rau. Es gab kein Licht außer dem fahlen Blau einer alten Notlampe, die an einem Pfahl hing wie ein blinder Mond. Der Geruch war eine Mischung aus Desinfektionsmittel und Sterben.

Sie sah keine Namen, nur Fragmente: eine alte Frau mit Händen wie getrocknete Zweige. Ein Junge, der nicht sprach. Ein Mann, der sich gegen die Wand lehnte, als würde sie ihn zusammenhalten.

Keiner von ihnen sah sie.

Sie setzte sich neben den Jungen.

Seine Haut war dünn, fast durchsichtig, und unter den Lidern bewegten sich die Augen, rastlos. Als würde etwas in ihm schreien, das keinen Laut kannte.

Kalima berührte ihn nicht. Zuerst nur sein Atmen hören, sein Zittern spüren. Dann: eine Bewegung in ihr – nicht Gedanken, sondern Antwort. Etwas in ihr erkannte das, was in ihm war, und gab ihm einen Namen.

Nicht Mitleid. Resonanz.

Sie schloss die Augen.

Ihr Körper wurde durchlässig. Kein Muskel, kein Wille lenkte sie. Nur das Fließen. Ihre Tränen kamen nicht wie Schmerz, sondern wie ein Strom, der aus einer anderen Quelle stieg. Und dort, wo eine einzelne Tropfen auf die Haut des Jungen fiel, wurde sein Zittern weniger.

Nicht geheilt.

Erinnert.

Er atmete ein. Tiefer. Langsamer.

Kalima öffnete die Augen. Der Junge sah sie an. Kein Lächeln. Aber auch kein Fliehen mehr.

Sie ging weiter. Zur Frau. Zum Mann. Zu den anderen.

Und bei jedem, den sie berührte – sei es mit der Hand oder nur mit der Stille ihrer Nähe – veränderte sich etwas Kleines. Eine Stirn entspannte sich. Ein Atem löste sich. Eine Stimme murmelte ein vergessenes Lied.

Jano, der sie beobachtete, sagte später: "Was hast du mit ihnen gemacht?"

Kalima antwortete nicht sofort. Sie schaute nur auf ihre Hände, in denen noch ein leichtes Leuchten nachzitterte, wie von innen her.

"Ich habe nichts gegeben", sagte sie. "Ich war nur da, als sie sich selbst wieder berührten."

Letzter Satz:
Und vielleicht, dachte sie, war das das tiefste Heilen: sich wieder fühlen dürfen – im Licht eines anderen.