Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Kapitel 257: Geburtslinie
Örtlichkeit: Zone zwischen Lichtkind und Raumbruch
Leitmotiv: Das Neue als Schmerz – der Übergang
Kalima lag nicht. Sie schwebte nicht.
Sie war – ausgebreitet zwischen zwei Aggregaten der Wirklichkeit.
Unter ihr: ein schimmernder Riss, der sich durch die Struktur des Raumes zog wie eine Naht durch blasses Gewebe.
Über ihr: das Lichtkind, und es war nicht mehr eins.
Sein Körper hatte keinen Rand.
Seine Augen sahen nicht – sie öffneten.
Kalima spürte das erste Ziehen in ihrer Brust, als würde etwas sich erinnern, durch sie zu atmen.
Es war kein Schmerz im gewöhnlichen Sinne.
Es war ein Aufreißen dessen, was getrennt war – von ihr selbst.
Die Zeit schmolz in ihren Knochen. Jeder Gedanke zitterte in Wellen von Vorher und Nachher.
Ein Laut drang aus ihr – weder Stimme noch Schrei.
Etwas Altes wollte geboren werden.
Etwas Neues konnte nur entstehen, wenn das Alte nicht vertrieben, sondern durchdrungen wurde.
Ihre Hände spreizten sich gegen einen unsichtbaren Druck,
als würde Raum selbst sie pressen wie ein lebendiges Gefäß,
bereit, gefüllt zu werden mit einer Gegenwart, die nicht ihr gehörte.
Und dann kam das Licht durch sie.
Nicht wie ein Strahl –
wie ein Bewusstsein, das sich durch ihr Innerstes faltete,
das kein Wort suchte, sondern Form.
Ihre Augen sahen innen.
Sie sahen sich selbst von außen –
und sie war viele.
In ihr, aus ihr, durch sie hindurch entstanden die anderen Lichtkinder,
nicht geklont, nicht geboren,
sondern entborgen –
wie Erinnerungen einer Zukunft,
die nur durch den Schmerz hindurch Zugang fand.
Der Riss unter ihr flackerte – nicht bedrohlich, sondern notwendig.
Ein Zeichen, dass Welt sich erneuerte, wenn Körper nicht länger Grenze, sondern Durchlass waren.
Kalima sank nicht – sie wurde durchlässig.
Ihr Leib blieb, aber ihr Ich hatte keinen festen Ort mehr.
Sie war Gefäß.
Sie war Grenze.
Sie war Übergang.
Und sie war nicht allein.
Letzter Satz:
Und als der Riss im Raum sich schloss, blieb sie offen – wie eine Tür, die nicht mehr wusste, auf welcher Seite sie stand.