Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Kapitel 256: Das Flimmern der Anderen
Örtlichkeit: Lichtflächen wie atmende Spiegel
Leitmotiv: Wahrnehmung der Fremdheit – Nähe jenseits des Erkennbaren
Sie standen auf einer Fläche, die nicht fest war, aber auch nicht flüssig.
Ein Boden aus Licht, flach wie gefaltete Zeit, bebte sanft unter ihren Schritten – nicht weil sie gingen, sondern weil sie waren.
Die Wände – sofern es welche gab – waren Spiegel, deren Oberfläche atmete.
Nicht spiegelnd im herkömmlichen Sinn, sondern flirrend – als würde das Licht selbst versuchen, sich an ein anderes Wesen zu erinnern.
Dann kamen sie.
Nicht plötzlich.
Nicht wie eine Gruppe, die betritt, sondern wie ein Gedanke, der sich entfaltet.
Die Kinder der Xhorr.
Oder etwas, das von ihnen geblieben war.
Oder etwas, das sie noch werden würden.
Sie hatten keine festen Konturen.
Ein Auge hier, ein Schatten da, eine Bewegung wie ein Windstoß unter Wasser. Man konnte sie nicht festhalten – sie geschahen.
In jedem Blickwinkel anders, als ob die Welt durch sie hindurch ihren Aggregatzustand wechselte.
Duran trat einen Schritt zurück, doch das Licht hielt ihn fest.
Kalima streckte die Hand aus – und traf auf sich selbst.
Ashirs Herz schlug zu laut.
Die Kinder berührten sie nicht – sie durchdrangen sie.
Ein kurzer Moment, kaum spürbar, und doch war alles danach anders.
Als ob man für einen Atemzug durch einen anderen Körper geatmet hätte.
Als ob man die Erinnerung eines Fremden wie einen eigenen Traum gespürt hätte.
Kein Schmerz.
Keine Ekstase.
Nur ein radikales Sein in einer Form, die sich dem Ich entzog.
Jano schloss die Augen.
Er weinte nicht – aber seine Gesichtszüge lösten sich für einen Moment von aller Geschichte.
Was ihn definierte, war für Sekunden nicht da.
Sie waren nicht mehr sie selbst.
Aber sie waren auch nicht verloren.
Etwas hatte sich geöffnet – nicht sichtbar, nicht benennbar – aber spürbar wie eine zweite Haut unter der Haut.
Und dann war es vorbei.
Das Flimmern verblasste.
Die Spiegel atmeten langsamer.
Die Stille kehrte zurück – aber sie war nicht mehr dieselbe.
Letzter Satz:
Und während das Licht sich wieder glättete, blieb in ihnen etwas zurück, das keinen Namen trug – aber alles veränderte.