Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Kapitel 251: An der Schwelle des Neuen
Örtlichkeit: Transitorische Zone zwischen Bewusstsein und Manifestation
Leitmotiv: Die innere Formung der Wirklichkeit
Sie traten nicht hinaus – sie verloren sich. Kein Schritt war zu tun, kein Horizont, der wartete. Es war, als habe sich Raum um sie gelegt wie eine zweite Haut, zu dünn, um ihn zu greifen, zu fremd, um ihn zu verstehen.
Ashir versuchte zu denken. Doch seine Gedanken kamen nicht – sie formten sich in Farben, dann in Druck, dann in eine Art Stille, die pochte. Ein inneres Pochen, das keine Herkunft kannte.
Kalima hob die Hände – und was sie sah, war kein Körper mehr. Lichtadern zogen sich durch ihr Inneres, vibrierend, atmend, wie Erinnerungen, die nicht ihr gehörten.
Duran weinte – ohne zu wissen, warum. Etwas in ihm war weich geworden. Es war nicht Schmerz, nicht Trauer, sondern ein Verlust von Halt. Dann sah er ihn.
Sein Bruder stand da.
Nicht als Bild. Nicht als Geist. Er roch nach Erde. Seine Augen waren weit. Seine Hände tasteten nicht nach ihm – sie hielten ihn fest.
"Du kannst nicht weiter", sagte er. Und Duran wusste, dass es nicht die Stimme des Bruders war. Es war seine eigene Angst, die Gestalt angenommen hatte.
Ashir versank. Nicht im Raum – in einem Gedanken, der plötzlich zu groß wurde, um ihn zu tragen. Er sah Bilder, blitzend, schnell – und wusste: Es sind nicht meine Erinnerungen.
Ein Dorf. Regen auf Haut. Eine Mutter, die singt. Schmerz in einem Arm, den er nie besessen hatte.
"Warum weinst du?", flüsterte Kalima.
Sie berührte ihn – und in dem Moment sah sie es auch. Ihre Mutter, sein Schmerz, ihr Blick.
"Warst du es … oder ich?"
Die Welt flackerte. Ein heller Ton durchzog sie. Kein Geräusch. Etwas Dazwischen.
Dann: ein Klang.
Dunkel. Tief. Von innen kommend. Kein Ton in der Welt – sondern ein Riss in ihrem Innersten.
Der Raum vibrierte, verzog sich. Linien begannen zu oszillieren, Worte zerfielen zu Staub aus Licht. Kalima griff nach einem Namen – doch da war nur noch Form.
Form ohne Bedeutung. Bedeutung ohne Grenze.
Duran schrie nicht. Er verstummte.
Ashir versuchte, den Klang zu analysieren – und merkte, dass er aus ihm selbst kam.
Der Riss. Die Bedrohung. Der Schatten.
Es war nichts von außen.
Es war der Teil in ihnen, der sich nicht auflösen wollte. Der Teil, der bleiben wollte.
Letzter Satz:
Und als sie den Klang hörten, der nicht aus Raum, nicht aus Zeit, sondern aus ihnen selbst kam, wussten sie: Noch waren sie nicht frei.