Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 3

Das letzte Licht


Kapitel 229: Der Spiegel des Vergessens

Örtlichkeit: Kristallhöhle
Leitmotiv: Erinnerung und Identität

Sie spürten es, noch bevor sie die Höhle betreten hatten – ein leiser Widerstand in der Luft, als würde sie sich sträuben, neue Schritte zu empfangen. Der Eingang war kein Spalt, sondern ein Übergang, gezeichnet in silbrigem Dunst, geformt aus Licht, das weder von oben noch von außen kam.

Die Kristallhöhle lebte nicht wie etwas Tierisches. Sie vibrierte, atmete nicht – sie erinnerte. Ihre Wände waren geschliffen von Zeit, nicht von Werkzeug, und was sie spiegelten, war kein bloßes Abbild. Jeder Schritt der Gruppe rief ein Echo hervor – nicht akustisch, sondern seelisch.

Kalima war die Erste, die innehielt. Im flimmernden Schein vor ihr stand sie selbst – jünger, mit einem Gesicht, das noch nicht gelernt hatte, zu zweifeln. Ihr Schattenbild sprach nicht, doch der Blick fragte: Was hast du verloren?

Duran sah sein früheres Ich, das sich nie von den Ruinen gelöst hatte. Es stand im Gang, von Lichtadern durchzogen, stumm wie eine Mahnung an das, was nicht genug betrauert wurde.

Und selbst die Kinder der Xhorr blieben stehen, verharrten wie in einem unsichtbaren Gespräch. In ihren tiefen, spiegelnden Augen bewegten sich Fragmente, als formten sich darin Worte, die nicht aus Sprache bestanden, sondern aus Erinnerung – aus etwas, das noch älter war als Erfahrung.

Niemand konnte sich entziehen. Die Kristallhöhle forderte keine Antworten, aber sie ließ niemanden gehen, der sich nicht selbst erkannt hatte.

Am Ende war es nicht Mut, der sie weitergehen ließ, sondern das Loslassen – der stille Entschluss, nicht alles behalten zu müssen, was einen einst getragen hatte.

Letzter Satz:
Sie verließen die Höhle nicht als Andere, sondern als Ganze – weniger zerbrochen, weil sie ihre Risse angenommen hatten.