Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Kapitel 225: Das leere Zentrum
Örtlichkeit: Exil-Zone 0 – innere Kammer
Leitmotiv: Jenseits von Erinnerung und Form – der Raum als Spiegel des Seins
Die Kammer war still geworden. Kein Flüstern, kein Echo, nur ein langsames, fast zögerliches Atmen der Stille selbst.
Duran trat einen Schritt vor. Nicht weil er wusste, was er suchte – sondern weil das Nichtwissen ihn trug. Jeder Schritt war schwerer als der vorherige, als würde der Raum selbst prüfen, ob er den Mut in sich trug, leer zu werden.
Kalima kniete am Rand des kreisrunden Raums, in dem kein Licht und kein Schatten regierten. Nur der silbrige Schimmer der Wände – nicht reflektierend, nicht sendend. Einfach da. Wie Haut, die nichts mehr verbarg.
Ashir spürte ein Ziehen in seiner Brust, als ob das eigene Herz einem anderen gehörte.
"Es ist nicht außen", murmelte er, ohne zu wissen, ob jemand zuhörte. "Es wartet in uns."
Die Xhorr-Kinder bewegten sich nicht. Sie standen wie helle Schemen inmitten der Leere, aber etwas an ihnen hatte sich verändert. Ihre Umrisse flimmerten nicht mehr. Sie waren still geworden, nicht in Erstarrung, sondern in völliger Gegenwärtigkeit – als wären sie zu reinen Empfindungen geworden.
Duran trat in die Mitte.
Dort war nichts. Kein Altar, kein Apparat, kein Portal. Und dennoch wusste er: Dies war der Ort, an dem alles begonnen hatte.
Vielleicht nicht die Flucht, nicht das Erwachen, nicht einmal das Erinnern. Sondern das Davor – der Augenblick, in dem der Wille zur Trennung entstand.
"Was soll hier sein?", fragte Kalima.
Niemand antwortete. Doch in der Luft lag eine Ahnung, als hätte die Frage einen feinen Riss in der Struktur des Raumes hinterlassen. Und aus diesem Riss trat Wärme. Keine Hitze. Keine Kälte. Sondern das Gefühl, dass hier etwas war, das sie längst vergessen hatten: Die Möglichkeit, dass Leere nicht Abwesenheit bedeutete – sondern Präsenz, die nichts beanspruchte.
Ashir setzte sich. Wortlos.
Die Xhorr-Kinder folgten.
Duran blieb stehen. Er war der Letzte.
Er legte seine rechte Hand auf die Mitte des Bodens. Nichts geschah.
Dann flackerte Licht auf.
Nicht aus dem Boden. Nicht aus den Wänden. Sondern aus den Augen der Kinder.
Nicht grell, nicht bedrohlich – sondern wie ein Blick von innen.
Er sah Kalima an, die nicht wegsah.
Er sah Ashir, der nur nickte.
Und dann geschah etwas, das niemand benennen konnte: Die Kammer atmete zurück.
Letzter Satz:
Manchmal war das Zentrum nicht der Ursprung – sondern das, was übrig blieb, wenn alles andere verschwunden war.