Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 3

Das letzte Licht


Kapitel 216: Grenzen der Gestalt

Örtlichkeit: Exil-Zone 0 – Übergänge
Leitmotiv: Veränderung ist nicht nur innen – Körper und Geist im Wandel

Sie bemerkten es zuerst nicht. Nicht in den Bewegungen. Nicht im Sprechen. Nur im Blick des anderen – der länger ruhte als gewohnt, tastender, stiller. Etwas hatte sich verschoben.

Kalima spürte es als ein Ziehen unter der Haut, als würde sich ihr Körper auflösen in Möglichkeiten. Die Ränder ihrer Gestalt, einst klar, begannen zu flirren. Wenn sie sprach, veränderte sich der Klang, als würde ein zweiter Ton mitklingen – fremd, aber nicht feindlich.

Duran stand vor einem stillen Gesteinsbogen, dessen Fläche auf eine Art reflektierte, die nicht logisch war. Er hob die Hand, und für einen Moment zitterte sein Spiegelbild – nicht aus Licht, sondern aus Erinnerung. "Bin ich das, oder etwas, das von mir blieb?" dachte er. Und das Echo antwortete nicht in Worten, sondern mit Wärme.

Ashir träumte wach. Seine Arme fühlten sich länger an, schwerelos, als wollten sie etwas umarmen, das jenseits der Luft lag. Wenn er die Augen schloss, sah er Farben, die keine Namen trugen – und Kinder, die ihm mit Formen antworteten, die aus Gefühlen bestanden.

Die Xhorr-Kinder waren da, immer am Rand des Erkennbaren. Ihre Bewegungen hatten begonnen, neue Muster zu beschreiben – Spiralen, die in sich zurückfielen, dann wieder auftauchten, wie Gedanken, die zu früh verstoßen worden waren. Sie sprachen nicht, doch aus ihrer Mitte stieg ein silberner Dunst auf, als würde ein Teil von ihnen verflüchtigt, um etwas Neues zu empfangen.

Etwas veränderte sich in der Zone selbst. Der Raum vibrierte leicht – nicht bedrohlich, aber nicht mehr vertraut. Der Boden unter ihren Füßen war fest, doch die Welt, in der sie standen, schien sich neu zu denken.

Sie waren nicht krank. Nicht verletzt. Aber auch nicht mehr dieselben. Und je mehr sie versuchten, sich festzuhalten, desto mehr wurde offenbar, dass Halt eine Erfindung war – wie Namen, wie Zeit.

Kalima sprach es als Erste aus, ihr Mund zögernd wie bei einem ersten Kuss:
"Ich glaube, wir verwandeln uns."

Duran nickte nicht – doch etwas in seinem Blick zerbrach, und das Neue trat hindurch. Ashir lächelte leicht, als hätte er es längst gewusst.

Und zwischen ihnen webten die Xhorr-Kinder einen Kreis aus Licht und Schatten – als wollten sie sagen: Ihr seid nicht die Ersten. Und nicht die Letzten.

Letzter Satz:
Und für einen flüchtigen Moment war Veränderung nicht mehr Furcht – sondern das Versprechen einer anderen Wahrheit.