Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Kapitel 204: Die verlorene Gravitation
Örtlichkeit: Exil-Zone 0 – Randbereiche des Messbaren
Leitmotiv: Was fällt, wenn nichts mehr zieht?
Der Rumpf vibrierte. Nicht rhythmisch, sondern falsch.
Wie ein Tier, das seinen eigenen Puls nicht mehr erkannte.
Kalima bemerkte es zuerst.
Nicht im Sichtfeld, nicht am Steuer –
sondern in ihren Gelenken,
die sich bewegten, als wüssten sie nicht mehr, wie Gewicht sich anfühlt.
Die Gravitation wich.
Nicht plötzlich.
Aber stetig.
Wie Erinnerung in einem Raum, der beschlossen hatte, nicht mehr zurückzublicken.
Ashir schwebte nicht –
er entglitt.
Den Dingen.
Sich selbst.
Er berührte die Konsole – und spürte nichts.
Nicht Kälte. Nicht Oberfläche.
Nur die Ahnung einer Distanz, die nicht messbar war.
"Als ob Raum nicht mehr ziehen will," murmelte er.
Niemand antwortete.
Aber alle hatten es gespürt.
Duran hielt sich fest.
Nicht aus Notwendigkeit – aus Misstrauen.
Die Wände wirkten zu glatt, zu korrekt.
Als wollten sie etwas verbergen.
Dann der Ausschlag.
Ein kurzer Ruck im Schiff.
Keine Quelle. Keine Richtung.
Ein inneres Beben.
"Das war kein Triebwerk", sagte er leise.
Die Xhorr-Kinder standen.
Ohne zu zittern.
Ohne zu schweben.
Sie standen – auf nichts.
Und blickten nicht hinaus,
sondern hinein.
In einen Punkt zwischen den Dingen.
"Hier beginnt der Raum zu hören", flüsterte eines.
Die Stimme – zu alt für ein Kind.
Zu jung für Zeit.
Kalima wollte etwas sagen.
Ein Befehl.
Eine Anweisung.
Doch die Worte zerfielen,
noch bevor sie im Hals ankamen.
Die Luft war noch da. Aber Sprache… hatte keinen Boden mehr.
Ashir hörte Schritte.
Aber niemand bewegte sich.
Nicht außen.
Nur innen.
Ein Echo – von etwas, das vielleicht einmal sie selbst war.
Dann:
Ein Lichtimpuls.
Kurz.
Schräg.
Zu lang für Zufall.
Zu präzise für Fehlfunktion.
"Das war kein Sensorfehler", sagte Duran.
Kalima antwortete nicht.
Aber sie sah zu den Kindern –
und sah, wie sie sich ausrichteten.
Nicht zum Licht.
Nicht zur Quelle.
Sondern zur Mitte.
Einer Mitte, die es nicht gab –
außer in ihrem Inneren.
Ashir schloss die Augen.
Und hörte, wie das Schiff atmete.
Oder träumte.
Oder beides.
Ein Puls unter Metall, der nicht mehr ihrer war.
Dann drehte sich das Schiff.
Langsam.
Sacht.
Ohne Befehl.
Sie alle spürten es:
Etwas hatte sie bemerkt.
Letzter Satz:
"Und als die Gravitation verschwand, fiel nichts – außer dem Glauben, dass etwas fallen müsste."