Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Kapitel 202: Koordinaten des Schweigens
Örtlichkeit: Exil-Zone 0 – Randbereiche des Nullsektors
Leitmotiv: Manchmal führt nicht die Richtung – sondern das, was man zu vermeiden versucht
Duran starrte in das Nichts.
Kein Licht. Kein Horizont. Kein Ziel.
Nur ein flüchtiger Schimmer – an der Schwelle der Wahrnehmung, zu leise für Sensoren, zu gleichmäßig für Zufall.
Der Raum war still. Aber nicht leer.
Er hielt den Atem an –
und irgendetwas atmete zurück.
Plötzlich – ein Ruck.
Kaum messbar. Aber echt.
Das Schiff kippte leicht nach Steuerbord.
Keine Triebwerke. Kein Befehl.
Kalima richtete sich auf.
Ein Blick – wach. Wachsam.
"Das war nicht wir", sagte sie.
Aber niemand antwortete.
Ashir spürte, wie seine Finger sich zur Konsole bewegten.
Nicht um einzugreifen – nur um Gewissheit zu suchen.
Die Systeme zeigten keine Veränderung.
Nur Schweigen.
Ein Schweigen, das dichter wurde, je länger man es betrachtete.
Er hielt inne. Seine Hand zitterte nicht – aber sie wollte es.
Zwischen ihnen: keine Worte.
Nur Blicke, Bewegungen, das Unausgesprochene.
Kalima sah Ashirs Zögern.
Ashir spürte Kalimas Nähe – nicht räumlich, sondern wie ein Druck im Innersten.
Und Duran lauschte dem Schiff.
Dem Hüllenhall.
Dem leisen Echo eines Denkens, das nicht von Menschen kam.
Ein Signal flackerte auf.
Drei Punkte. Dann Stille.
Nicht Warnung. Kein Kurs.
Ein Impuls.
Ashir beugte sich vor. "Da war etwas."
"Nicht von außen", sagte Kalima. "Von innen."
Duran nickte.
"Ein Schatten. Vielleicht von uns selbst."
Eines der Xhorr-Kinder hob die Hand.
Langsam. Schwerelos.
Nicht als Geste – als Erinnerung.
Die anderen sahen nicht. Aber sie atmeten anders.
Ein tiefer, langsamer Rhythmus – wie das Pulsieren einer Zeit, die nicht mehr linear war.
Dann sprach das Schiff.
Nicht mit Worten. Mit Raum.
Ein Flimmern an den Wänden.
Ein Anstieg der Temperatur – nur um ein halbes Grad.
Und wieder dieser Drang nach Steuerbord.
Etwas zog sie.
Oder etwas wich aus.
Kalima nahm die Steuerung nicht zurück.
Sie beobachtete.
Nicht aus Kontrolle – sondern aus Anerkennung.
"Es weiß, was wir nicht wissen."
Ashir sah sie an.
Und sagte nur: "Noch."
Die Xhorr-Kinder legten ihre Stirnen an die Wände.
Nicht zum Fühlen. Zum Erinnern.
Dort, wo Menschen Koordinaten suchten,
zeichneten sie Spuren aus Stille.
Nicht mit Linien – mit Nähe.
Ein leichtes Summen vibrierte durch den Rumpf.
Wie ein Herzschlag unter Metall.
Oder ein Gedächtnis, das beginnt, sich selbst zu lesen.
Sie sprachen nicht.
Aber das Schweigen formte etwas.
Etwas, das kommen wollte – oder schon da war.
Letzter Satz:
"Vielleicht war das Schweigen nicht das Hindernis – sondern die Karte."