Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 3
Das letzte Licht
Teil 9 – EXIL
Kapitel 201: Die Fluchtlinie
Örtlichkeit: Randzone menschlicher Kontrolle – auf dem Weg in das Vergessene Feld
Leitmotiv: Der Bruch mit dem Bekannten – kein Ziel, nur das Verlassen
Der Sprung war kein Befehl.
Er war ein Schnitt – nicht durch Raum,
sondern durch das, was vorher Bedeutung hatte.
Hinter ihnen: Karten, die sich selbst vergaßen.
Koordinaten, ausgebrannt wie Erinnerung nach Feuer.
Sie flogen nicht.
Sie fielen – aus der Geschichte.
Duran stand im Sichtfeld.
Dunkelheit ohne Horizont. Kein Feind. Kein Stern.
Nur ein Blick, der sich selbst verlor.
Etwas kratzte am Rand seines Bewusstseins –
nicht Klang, nicht Warnung, sondern
eine Wiederholung von Stille,
als wäre der Raum nicht leer,
sondern wach.
Er trug nichts mehr, was ihn definierte.
Nicht außen. Nicht innen.
Kalima:
Still.
Aufrecht.
Doch ihr Atem war unregelmäßig –
nicht hörbar, aber gespürt von Ashir,
der ihren Blick mied und ihn dennoch fühlte,
wie einen Strom unter der Haut.
Ihre Hände ruhten auf den Oberschenkeln,
als hätte sie dort etwas festgehalten,
was längst nicht mehr da war.
Ein Name, vielleicht.
Ein Befehl, den sie nicht aussprach.
Ashir:
Sein Atem zählte keine Zeit mehr.
Die Zellen antworteten nicht.
Nicht defekt – nur überfordert vom Sinnlosen.
Aber als Kalima kurz zuckte,
wusste er, dass sie etwas gespürt hatte.
Er sagte nichts.
Aber sein Körper wartete.
Die Xhorr-Kinder
sprachen nicht.
Doch ihre Stille war die erste Stimme
in diesem neuen Raum.
Eines hob die Hand.
Nicht tastend – erinnernd.
Die Fingerspitzen berührten das Deck,
und aus der Konsole darunter
flackerte für den Bruchteil eines Moments
ein Licht, das niemand aktiviert hatte.
Ein Ton folgte –
so tief, dass er eher fühlbar war
als hörbar.
Duran blinzelte.
Das Schiff reagierte.
Ein Puls durchzog den Rumpf –
nicht technisch.
Organisch.
Wie ein Herzschlag unter Metall.
"Sie hören uns", murmelte Kalima –
mehr zu sich selbst als zu den anderen.
Ashir legte die Hand auf die Wand.
Sie vibrierte nicht.
Aber sie erinnerte sich.
"Nullsektor", sagte Duran,
als hätte er das Wort nicht gedacht, sondern
wiedergefunden.
Aber es blieb hohl.
Wie ein Befehl, der sich selbst missversteht.
Ein Name ohne Ort.
Der Raum war da –
aber kein Ort.
Er widerstand dem Messen.
Widersetzte sich dem Sein.
Ein Stern flackerte –
nicht weil er kam,
sondern weil er gedacht wurde.
Dann war er fort.
Sie trieben nicht im Raum.
Sie trieben im Verlust.
Des Gewohnten. Des Namens. Des Richtigen.
Die Kinder legten erneut ihre Hände auf das Schiff –
diesmal gemeinsam,
in einer Bewegung,
die zu alt war, um gelernt zu sein.
Das Schiff zuckte.
Wie ein Tier,
das einen alten Schmerz spürt.
Oder eine Erinnerung.
Sie schliefen nicht.
Sie wachten nicht.
Sie waren.
In Abständen.
"Seit Kalima zuletzt sprach."
"Nach dem dritten Impuls."
"Bevor Duran das Licht vergaß."
Etwas formte sich –
nicht außen.
Zwischen ihnen.
Ein Gedanke,
der nicht gedacht wurde,
weil er bereits geteilt war.
Letzter Satz:
Und sie wussten nicht, ob sie in eine neue Welt fielen – oder in sich selbst.