Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 2
SCHATTENKRIEG
Kapitel 200: Letzter Befehl – Letztes Licht
Örtlichkeit: Verlorene Umlaufbahn über dem Biosphärenmond Eo-Tar
Leitmotiv: Hoffnung und Neubeginn – das Ende eines Kapitels, der Anfang eines neuen
Der Himmel war kein Himmel mehr. Er war Stille, die sich wie eine Spirale aus Vergangenheit und Schweigen über die Träger legte. Die Sensoren der Flotte hatten versagt. Kein Signal, kein Impuls, kein Code mehr. Nur dieses Licht, das aus dem Innern des Mondes stieg. Organisch. Unerklärlich. Wie ein Gedächtnis, das nicht vergessen werden wollte.
Duran stand an der Schwelle der Kapsel, die er nicht gebaut, aber erwählt hatte. Die Kinder schliefen. Zwischen den durchsichtigen Schichten der Wand atmete das Licht der Xhorr, langsam, nicht mechanisch, sondern wie eine Frage, die man nicht aussprechen durfte.
Kalima war nicht mehr die, die sie gewesen war. Ihre Worte waren seltener geworden. Ihre Blicke tiefer. Sie hatte gelernt, das Schweigen zu verstehen, wie man einst Codes gelernt hatte: Zeichenlesen nicht mit den Augen, sondern mit dem Innersten.
Ashir saß weiter hinten, fast in sich versunken, als wäre er Teil der Rinde des Ortes geworden. Er zeichnete mit seinen Gedanken Linien in die Luft, als könnten sie das Unmögliche kartografieren: einen Ort, der nicht gefunden werden wollte.
"Du weißt, dass sie uns finden werden," sagte Kalima leise.
Duran nickte. "Oder wir uns selbst."
Die Worte waren einfach, aber sie fielen in eine Zeit, in der Einfaches selten geworden war. Der letzte Befehl war nicht gesendet worden. Stattdessen war etwas anderes in Umlauf gebracht worden: eine Störfrequenz, eine diffuse, harmonische Interferenz, die alle bekannten Signale überlagerte. Kein Angriff. Kein Rückzug. Nur eine Art Schweigen mit Absicht. Die Systeme nannten es: Anomalie.
"Sie nennen es das Letzte Licht," sagte Ashir, ohne aufzusehen.
"Wer?"
"Die, die zuhören können."
Duran trat hinaus. Der Boden unter seinen Stiefeln war warm. Die Landschaft veränderte sich, wenn man sie nicht ansah. Ein Wald, ein Tal, eine Stadt aus Erinnerung, die nur existierte, solange man sie zuließ.
Er dachte an Generalin Belenko. An das Gesicht, das nie gezuckt hatte. An den Befehl, der nie zurückgezogen worden war. An ein Schiff, das vielleicht noch dort draußen wartete, bereit, ein letztes Ziel zu vollstrecken. Doch vielleicht, so hoffte er, war auch dort etwas Rissiges entstanden. Ein Zweifel. Eine Frage.
In seinem Inneren spürte er, wie die Kinder der Xhorr erwachten. Nicht mit Lauten. Mit einem Puls. Einem Impuls. Wie Licht, das sich durch Finsternis tastet.
"Wir haben sie nicht gerettet," sagte Kalima hinter ihm. "Wir haben uns der Möglichkeit gestellt, dass sie uns retten könnten."
Er drehte sich nicht um. Es war keine Zeit für Helden. Nur für jene, die ihre Schuld trugen wie einen leeren Becher – und warteten, ob etwas hineinfiel, das heilte.
Ein letzter Impuls ging durch das Gewebe des Mondes. Die Kapsel veränderte ihre Form. Aus Metall wurde Haut, aus Steuerung wurde Stille. Dann begann sie, sich zu bewegen. Nicht durch Raum. Sondern durch Erinnerung.
Duran schloss die Augen.
Nicht alles, was verloren ging, war tot. Manches wartete nur auf den Moment, an dem jemand es als Licht erkannte.
Letzter Satz:
Und irgendwo in der Tiefe, jenseits der Systeme, antwortete etwas – nicht mit einem Befehl, sondern mit einer Stimme, die noch nie ein Mensch gehört hatte.