Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 2
SCHATTENKRIEG
Kapitel 198: Die Spiegelkammer
Örtlichkeit: Substruktur unterhalb des Archivs von Elu'Rah – Resonanzzone zur Selbstprüfung
Leitmotiv: Wer in den Abgrund blickt, wird nicht verwandelt – es sei denn, er erkennt sich.
Sie hatten nicht gewusst, dass es tiefer ging.
Nicht in Metern.
Sondern in Bedeutung.
Die Kammer lag unterhalb des Archivs, verborgen unter Schichten aus Erinnerung und Biogewebe.
Ein Spalt öffnete sich, als Ayen den Boden berührte – eine Bewegung wie von instinktiver Resonanz.
Duran, Kalima und Ashir folgten schweigend, begleitet von dem zweiten jungen Xhorr.
Der Raum, in den sie traten, war glatt.
Spiegelnd.
Doch es gab kein Licht.
Nur sie selbst – und das, was sie mitbrachten.
Und dann: Projektionen.
Keine Bilder.
Erinnerungen, übersetzt in Form, Gestalt, Geständnis.
Duran sah sich selbst – nicht wie er war, sondern wie er hätte sein können.
Ein Befehlshaber, der gezögert hatte.
Der geschwiegen hatte.
Der gestorben war, ohne jemals zu widersprechen.
Er wandte sich ab.
Doch der Spiegel wich nicht.
Er war kein Feind.
Nur ein Richter ohne Stimme.
Kalima sah die Stadt, die sie hätte retten können.
Die Daten, die sie nicht weitergeleitet hatte, weil sie Angst gehabt hatte, zu irren.
Die Xhorr, deren Signale sie falsch gelesen hatte.
Ihre Hände zitterten.
Nicht vor Furcht – sondern vor der Klarheit, die keine Lüge mehr duldete.
Ashir sah den Moment, in dem er hätte aufstehen können.
Vor der Versammlung.
Vor dem Befehl.
Doch er war geblieben.
Und hatte mitgeschrieben an der Geschichte, die er nun aufbrechen wollte.
Keiner sprach.
Denn diese Kammer verlangte keine Worte.
Nur Wahrheit.
Und die Fähigkeit, sie zu ertragen.
Dann traten die beiden jungen Xhorr vor.
Und in der Mitte des Raumes erschien etwas, das kein Spiegel war – sondern ein Zwischenraum.
Ein Bild, das sich aus der Summe der drei Menschen formte.
Ein Wesen – halb menschlich, halb Xhorr.
Nicht im Körper.
Im Ausdruck.
Fragend.
Suchend.
Unentschieden.
"Ist das das, was wir werden?" flüsterte Kalima.
Ashir antwortete nicht.
Aber Duran trat einen Schritt näher.
Seine Stimme war rau, fast zerbrochen:
"Es ist das, was wir vielleicht schon sind."
Und in diesem Augenblick begann der Raum zu vibrieren.
Nicht bedrohlich – sondern wie ein Herzschlag.
Ein Bekenntnis.
Eine Antwort.
Denn nur wer die eigene Schuld erkennt, kann Teil einer neuen Welt sein.
Letzter Satz:
Die Spiegel zeigten nicht, was war – sondern, was noch nicht verloren war, wenn man sich endlich sieht.