Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 2
SCHATTENKRIEG
Kapitel 196: Die Erben der Stille
Örtlichkeit: Unterirdischer Korridor des ehemaligen Xhorr-Archivs, Tiefe Biosphäre von Elu'Rah
Leitmotiv: Zukunft wächst nicht aus Wissen – sondern aus Erinnerung, die bewahrt wurde.
Die Wände atmeten.
Nicht wie Luft durch Ventilatoren, sondern wie lebendige Membran, die sich mit Gedanken füllte. Duran spürte sie – diese langsame, rhythmische Präsenz des Ortes, der nicht mehr nur Zuflucht war, sondern Bewahrer einer ganzen Welt geworden war.
Die beiden jungen Xhorr bewegten sich mit vorsichtiger Selbstverständlichkeit durch die labyrinthartigen Gänge. Jeder Schritt von ihnen schien Resonanz zu erzeugen – nicht akustisch, sondern im Gewebe der Geschichte selbst.
Sie hatten begonnen, Fragmente der alten Archive zu berühren.
Nicht mit Händen.
Mit Erinnerung.
"Was tun sie da?" fragte Kalima, die ihn begleitet hatte. Ihre Stimme war leise, als müsse sie das Vergangene nicht stören.
"Sie aktivieren das, was lange geschlafen hat", antwortete Duran. "Aber nicht durch Technik. Durch das, was sie geworden sind."
Ashir trat näher, sein Blick haftete an den Formen, die aus den Wänden wuchsen – Erinnerungsadern, in farblosem Licht pulsierend. "Das ist keine Datenbank", murmelte er. "Das ist Bewusstsein. In Schichten gespeichert."
"Und es reagiert nur auf sie", sagte Duran.
Nicht aus Stolz. Aus Staunen.
Denn der Ort hatte ihn selbst längst vergessen. Er war nicht mehr Teil der Erzählung.
Nur die Kinder der anderen Zeit wurden erkannt.
Nicht als Befehlsträger.
Als Erben.
Plötzlich hielten die beiden Xhorr inne.
Einer von ihnen – das Wesen mit den violetten Pulsadern, das Duran stumm "Ayen" nannte – streckte sich leicht, als würde es etwas hören, das jenseits der Frequenz lag.
Dann, ohne Worte, sandte es ein Bild.
Kein Text. Keine Sprache.
Nur ein Moment:
Ein Raum aus Licht, durchzogen von Wunden.
Ein planetarer Orbit, zerschnitten vom Schatten einer Flotte.
Und darunter … das Echo eines Schreis, der nie ausgesprochen wurde.
Duran verstand.
Oder glaubte zu verstehen.
"Das ist der Moment, in dem ihre Welt zerbrach", flüsterte Kalima.
"Und sie fragen uns nicht, warum wir das getan haben", sagte Ashir. "Sondern, ob wir daraus etwas lernen konnten."
Duran schwieg.
Denn das war es, was diesen Ort bewahrte:
Nicht Rache. Nicht Verurteilung.
Sondern die Hoffnung, dass Erinnerung allein nicht genügt –
aber dass sie der erste Schritt sein könnte zu einer Welt, die sich nicht wiederholt.
Er blickte auf Ayen und das zweite Wesen, das sanft die Wand berührte – und kurz darauf eine Welle aus Licht durch den Gang sandte, wie eine Antwort.
Wie eine neue Geschichte, die beginnen wollte.
Letzter Satz:
Und inmitten der Stille wurde etwas geboren – kein Urteil, sondern ein Anfang.