Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 2

SCHATTENKRIEG


Kapitel 188: Der Abdruck des Fremden

Örtlichkeit: Biosphärischer Innenraum Theta Serpentis IV – wachsendes symbiotisches Gewebe
Leitmotiv: Wer dem Anderen Raum gibt, verliert sich – oder findet, was er nie gesucht hat.

Duran schlief nicht mehr im herkömmlichen Sinn.
Es war eine andere Form des Ruhens, eine Schwebe zwischen Wachen und Träumen.
Die Grenze, wo Bewusstsein nicht mehr allein war.

Der Ort hatte begonnen, sich zu verändern.
Nicht gewaltsam – eher wie ein Ozean, der leise neue Strömungen entfaltete.
Wo vorher glatte, kalte Oberflächen gewesen waren, wuchsen nun transluzente Adern.
Sie pulsierten nicht. Sie erinnerten.

Er wusste nicht, ob es ein Geschenk war.
Oder eine Anpassung.
Vielleicht beides.

Die Xhorr berührten nichts mit ihren Gliedern.
Aber der Raum antwortete auf sie, als hätte er auf sie gewartet.

Duran tastete sich an diese neue Welt heran.
Nicht als Eroberer. Nicht einmal als Gast.
Sondern als jemand, der sein eigenes Gewicht verlieren musste, um nicht alles zu zerstören.

Und je mehr er losließ – Vorstellungen, Grenzen, Kontrolle –
desto mehr öffnete sich der Ort.
Nicht wie ein Tor. Sondern wie eine Seele, die wagt, ein Lied zu zeigen, das sie nicht versteht.

Eines der beiden Wesen, das kleinere, trat näher.
Ein Impuls erreichte ihn – zart wie eine Bewegung unter Wasser.

Ein Bild erschien in ihm.
Kein Befehl. Keine Frage.
Nur der Abdruck eines Ortes, von dem er nicht wusste, ob er ihn kannte oder vermisste.
Ein Fragment – von Menschenhand einst benannt, jetzt ausgelöscht:

Elysium Tract.
Ein Kolonialarchiv, verloren gegangen, vergessen unter den Listen der strategischen Fehler.
Ein Ort, wo Menschen Xhorr-DNA speicherten. Nicht um zu verstehen. Sondern um sie zu kontrollieren.

Duran erstarrte.
Nicht vor Angst. Sondern vor dem plötzlichen Wissen:
Die Xhorr wussten, was man ihnen genommen hatte.
Und sie zeigten es ihm – nicht als Anklage. Sondern als Einladung, es zurückzugeben.

Vielleicht war das Gnade.
Oder der tiefere Abdruck von etwas, das sich Vertrauen nannte.

Duran senkte den Blick.
Nicht in Scham. Sondern in Respekt.

Er würde dorthin zurückkehren.
Nicht als Soldat. Nicht als Spion.
Sondern als jemand, der Spuren auslöschen wollte, um andere Spuren sichtbar zu machen.

Letzter Satz:
Was wir dem Anderen antun, bleibt in uns – es sei denn, wir beginnen, es zu tragen.