Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 2

SCHATTENKRIEG


Kapitel 165: Der Tag, an dem niemand sah, was geschah

Örtlichkeit: Menschliche Kommandozentrale der Operation Carthago, Orbitalknoten Erde
Leitmotiv: Unsichtbarkeit im Licht – Die Ethik der Beobachtung

Sie hatten es gesehen.
Alle.
Und keiner hatte es gesehen.

Die holografischen Displays im Hauptkontrollraum zeigten keine Explosion.
Keine grelle Welle.
Keine Schockfront.
Nur ein kurzer Flackern.
Dann Stille.
Dann das erwartete Hakenzeichen der Zielerfassung: Impact Confirmed.

Doch etwas stimmte nicht.
Die Sensoren zeigten Bewegung in den Kolonien –
aber keine Zerstörung.
Die Energie hatte sich entladen,
aber nicht dort, wo sie sollte.

Min-ho, inmitten der taktischen Elite,
stand auf,
nicht, weil er befehlen wollte,
sondern weil er fühlte,
dass ein Befehl zu viel gewesen war.

"Warum meldet sich LYS-9 nicht?"
"Warum ist die Biofeedbackschleife unterbrochen?"
"Was... war das?"

Keine Antwort.

Im Orbit hatte sich ein Tor geöffnet – ein Raumriss, eine Art Resonanzfeld.
Nicht als Waffe, sondern als Spiegel.
Und was sie nun sahen,
waren nicht Trümmer,
sondern ihr eigenes Gesicht.

Die Gesichter der Besatzung starrten auf die Anzeigen.
Der Moment der Geschichte war da –
und niemand verstand ihn.

Ashir Takano, auf einer der Außenstationen,
flüsterte nur:
"Es war nicht das Ziel, das zerstört wurde.
Es war unser Blick darauf."

Ein Protokoll wurde aktiviert:
Stufe Rot.
Alle Daten verschlüsseln.
Keine Bilder freigeben.
Keine Presse.
Keine Wiederholung.

Der Tag wurde archiviert.
Ohne Bild.
Ohne Ton.
Ohne Schuld.

Nur Yulan Frey wusste es.
Und schwieg.

Letzter Satz:
"Der gefährlichste Moment der Menschheit war nicht, als sie schoss – sondern als sie wegsah."