Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 2

SCHATTENKRIEG


Kapitel 157: Der Flug durch das Auge

Örtlichkeit: Wurmloch-Transitbereich, Grenzsektor zur fremden Sphäre
Leitmotiv: Zwischenräume – der Punkt, an dem alles möglich ist

Der Moment des Übergangs war kein Ruck, kein Blitz.
Es war ein Streifen durch das Nichts.
Ein Strecken, ein Erinnern.

Das Flaggschiff Resolutio glitt durch das Wurmloch wie durch die Pupille eines uralten Wesens – und jeder an Bord spürte es: Die Wirklichkeit verformte sich.

Nicht die Technik bebte, sondern das Selbst.
Konturen verloren ihre Eindeutigkeit.
Gesichter wirkten für Sekunden zu jung oder zu alt.
Stimmen wurden zu Fragmenten von Gedanken.

Captain Naoko Yeung, Befehlshaberin der Resolutio, atmete flach.
Nicht wegen der Belastung – sondern wegen der Stille.
Keine Systeme fielen aus. Kein Notprotokoll wurde aktiviert.
Und doch hatte sie das Gefühl, als hätte die Zeit selbst kurz gefragt: Warum?

In den Nebenkanälen meldeten sich andere Schiffe.
Die Genua, die Feuerkranz, die Athene.
"Transit stabil. Waffe entladen. Strukturerhalt bei 97%."
Die Flotte war durch. Fünf Korridore, fünf Ziele.

Die Superwaffen, noch nicht aktiviert, waren sicher verpackt in den Speicherräumen, um das Gravitationschaos des Durchflugs nicht zu stören.
Ein bewusstes Zugeständnis – oder eine Einladung zur Reaktion?

Doch nichts regte sich.
Keine Abwehrformation. Kein Funksignal.
Nur fremde Sonnen in unmöglicher Geometrie.

Dann sprach ein Systemingenieur in der Stille:
"Das hier fühlt sich an wie … Absicht."

Yeung wandte sich zum Hauptschirm.
Dort, in der Ferne, formierten sich erste Silhouetten.
Langsam. Offen.
Wie Empfänger. Nicht wie Verteidiger.

Und tief in ihrem Innersten wusste sie –
das Spiel war eröffnet,
aber vielleicht nicht nach den Regeln, die sie kannten.


Letzter Satz:
"Wer durch das Auge tritt, sieht nicht nur das Fremde – sondern sich selbst in neuer Gestalt."