Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 2
SCHATTENKRIEG
Kapitel 102: Schatten im Orbit
Örtlichkeit: Orbitale Station "Prometheus" – geostationärer Verteidigungsgürtel
Leitmotiv: Fortschritt ohne Verankerung – Wenn Technik kein Gewissen kennt
Anna drehte sich in der Schwerelosigkeit.
Ihre Hände umfassten den Rahmen eines Sichtfensters,
durch das die Erde wie ein schlafendes Kind unter ihr lag.
Zwanzig Jahre alt, militärisch ausgebildet, wissenschaftlich überqualifiziert.
Ihre Gedanken kreisten schneller als die Station selbst.
Sie war Teil der neuen Generation – geboren nach dem Zusammenbruch,
geformt in Isolation, gedrillt in Funktion.
Ihr Alltag:
Datenknoten entziffern, Signale überwachen,
Entscheidungen treffen, die sie nicht verstehen durfte.
In der Dunkelheit jenseits des Sensorschattens
war ein Echo erschienen.
Ein Muster, das nicht menschlich war.
Aber vertraut.
Sie hätte Alarm schlagen müssen.
Doch sie zeichnete es heimlich ab,
legte es in ein verstecktes Archiv –
"Projekt Echo" nannte sie es,
ein stiller Versuch, zu begreifen,
wofür keiner mehr Fragen stellen durfte.
Später, beim Andocken der Versorgungskapsel,
überreichte ihr der Automat ein versiegeltes Datenmodul.
Absender unbekannt.
Die Datei:
"BERICHT GESPERRT – KALIBRISCHER SEKTOR – VISUELLER KONTAKT BESTÄTIGT"
Ihre Finger zitterten.
Die Bilder zeigten Schiffe.
Nicht im Angriff. Nicht in Formation.
Sondern treibend.
Wie Tiere, die verletzt in der Dunkelheit lauerten.
Anna starrte auf das letzte Bild.
Ein einzelnes Leuchtzeichen,
inmitten der Leere.
Eine Nachricht?
Eine Warnung?
Ein Ruf?
Letzter Satz:
"Sie hatten nie aufgehört zu senden – wir hatten nur verlernt zu hören."