Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen

Buch 1

DIE ANKUNFT


Kapitel 64: Die Muster des Dschungels

Örtlichkeit: Amazonas – Yuruparí-Region
Leitmotiv: Der Wald erinnert sich vor den Menschen.

Jano stand am Rand der Lichtung, auf der einst der große Ceiba-Baum gefallen war.
Doch wo vor Wochen nur verbrannte Erde lag,
wuchs nun etwas Neues:
Schlingpflanzen, die nicht kletterten, sondern kreisten.
Blätter, deren Adern im Dunkeln leuchteten.
Pilze, die in konzentrischen Ringen sprossen, als wollten sie etwas sagen.

Er hatte nichts getan.
Nur beobachtet.
Nur gelauscht.

Sie sprechen nicht, dachte er. Aber sie zeigen.

Seit Tagen war kein Tier geflohen.
Die Brüllaffen waren zurückgekehrt.
Sogar die Jaguara-Spuren hatte er gesehen –
nicht auf der Flucht,
sondern kreisend,
um denselben Ort, immer wieder.

Die Alten hätten es "Yagé-Rhythmus" genannt –
eine Ordnung hinter der Ordnung.
Nicht göttlich.
Nicht wissenschaftlich.
Sondern lebendig.

Jano berührte das Erdreich.
Es war warm.
Nicht heiß, nicht strahlend –
tragend.

Und dann fühlte er es wieder:
Dieses Summen, nicht im Ohr, sondern in der Brust.
Wie ein leises Einverständnis.
Keine Stimme. Keine Worte.
Nur ein Impuls,
der von Wurzel zu Wurzel, von Blatt zu Blatt weiterging –
und durch ihn.

Ich war nie außerhalb, erkannte er.
Ich war nur taub.

Die Dorfbewohner kamen nicht mehr mit Fragen.
Sie kamen mit Gesten.
Mit Gaben.
Mit der Art von Schweigen, die mehr sagte als jedes Wort.

Und in den Nächten begann Jano zu träumen.
Nicht in Bildern.
Sondern in Formen.
Kreisen.
Verbindungen.

Eines Morgens fand er auf einem moosbedeckten Stein ein Symbol,
eingeritzt mit dem Harz eines Baumes, der hier gar nicht wuchs.

Ein Dreieck in einem Kreis.
Darunter ein Punkt.

Er wusste nicht, was es bedeutete.
Aber er spürte, dass es Teil von etwas war,
das älter war als Sprache –
und jetzt wieder zu sprechen begann.

Letzter Satz:
Jano legte die Hand auf das Zeichen – und zum ersten Mal nannte er es nicht fremd, sondern vertraut.