Der letzte Befehl - Die Stille ist kein Schweigen
Buch 1
DIE ANKUNFT
Kapitel 32: Risse im System
Örtlichkeit: New York (UN), Genf (Weltgesundheitsorganisation), Moskau, Brüssel, Peking
Leitmotiv: Nicht das Ereignis entscheidet über die Geschichte – sondern die Deutung.
Drei Stunden nach dem Verlust von Sentinel-1A herrschte in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Chaos. Die Delegierten schrien durcheinander, diplomatische Höflichkeit war längst über Bord geworfen worden.
Einige nannten das Verschwinden der Drohne einen gezielten Abschuss. Andere sahen darin eine elegante, fast ethisch überlegene Verweigerung der Eskalation.
Nur eines war sicher: Nichts war sicher.
In Peking trat eine Regierungssprecherin vor die Kameras:
"Wir waren nicht informiert. Wir protestieren gegen jegliche Alleingänge und fordern eine gemeinsame Untersuchung."
Brüssel reagierte defensiv. General Mead ließ eine Erklärung verbreiten, in der die Mission als "wissenschaftlicher Testflug zur atmosphärischen Erkundung" dargestellt wurde. Kaum jemand glaubte ihm.
In Moskau: kühle Zurückhaltung. Ein Abgeordneter formulierte kryptisch:
"Vielleicht haben wir die stillere Sprache der Macht zu lange unterschätzt."
In Genf versammelten sich Vertreter der WHO, der UNESCO, der Weltbank –
und Anna Berger. Ihre Datenanalyse wurde zitiert, angezweifelt, kopiert.
Aber niemand hörte wirklich zu. Alle suchten Bestätigung für das, was sie ohnehin glauben wollten.
Einige forderten ein internationales Tribunal.
Andere: nukleare Bereitschaft.
Wieder andere: vollständige Kapitulation.
Die Welt begann zu zerfallen – nicht durch Waffen, sondern durch Deutungskämpfe.
Und während sich die Kameras der Welt auf Mikrofone, Podien und Flaggen richteten,
blickte niemand in den Himmel.
Dorthin, wo die Objekte nun leicht geneigt standen – als hörten sie zu.
Letzter Satz:
Wahrheit war nie das Problem – nur das Bedürfnis, sie passend zu biegen.