Mehr als Gold - Die Reise zu inneren Wahrheit

Kapitel 9



Der Weg in die Tiefe – Die Fee als Wegweiserin

Nach der schmerzhaften Offenbarung auf dem Wiedenfelsen, wo das Tor des Vergessens ihm seine eigene Schuld schonungslos vor Augen geführt hatte, taumelte Hans den steilen Pfad hinunter, den die Fee ihm gewiesen hatte. Jeder Schritt war eine Qual, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Willis qualvoller Schrei hallte noch immer in seinen Ohren, und die Bilder seiner Familie, vermischt mit den Verlockungen des Goldes, tanzten schmerzhaft vor seinen Augen. Er war ein Wrack, gezeichnet von Verlust und der bitteren Erkenntnis seiner Gier. Doch die Fee, die ihn still begleitete, war eine stumme Erinnerung daran, dass dieser Albtraum nicht sein Ende sein musste.

Der Abstieg führte ihn tiefer und tiefer in die Eingeweide des Nordschwarzwaldes. Die Bäume schlossen sich über ihm, schluckten das letzte Tageslicht und tauchten den Pfad in ein undurchdringliches Halbdunkel. Der Wind, der auf dem Wiedenfelsen noch wütend geheult hatte, war hier nur noch ein leises Flüstern, das durch die knorrigen Äste strich. Es war ein Ort der Stille, in der jedes Knacken eines Zweiges unter seinen Füßen wie ein Donnerhall wirkte. Hans spürte die eiskalte Hand der Einsamkeit, die nach ihm griff, aber die Fee schwebte stets einen Hauch vor ihm, ihr irisierender Schimmer die einzige Lichtquelle in der wachsenden Dunkelheit. Sie war sein Wegweiser, seine einzige Hoffnung in dieser unwirklichen Landschaft.

Der Pfad verwandelte sich zusehends. Der weiche Waldboden wich steinigem, unebenem Untergrund. Uralte Wurzeln hoben sich wie versteinerte Schlangen aus der Erde, und moosbedeckte Felsen, die wie schlafende Riesen aussahen, säumten den Weg. Hans stolperte mehrfach, seine müden Beine drohten unter ihm nachzugeben. Die Fee drehte sich jedes Mal um, ihre zarten Hände hoben sich leicht, und ein sanfter Schimmer legte sich auf seine Glieder, eine flüchtige Welle der Kraft, die ihn weitertrieb. Es war ein ungesprochenes Versprechen, dass er nicht allein war, dass dieser Weg, so dunkel er auch war, zu etwas führen würde.

Nach einer scheinbar endlosen Wanderung begann Hans, das ferne Rauschen von Wasser zu hören. Zuerst nur ein leises Murmeln, dann ein wachsendes Grollen, das die Stille des Waldes durchbrach. Die Fee beschleunigte ihren Flug, und Hans folgte ihr, eine neue Hoffnung keimte in seiner Brust. Das Rauschen wurde lauter, mächtiger, bis es zu einem tosenden Donner anschwoll, der die Luft vibrieren ließ. Er spürte die feuchte Kälte auf seiner Haut, ein Zeichen, dass er sich seinem Ziel näherte. Der Pfad verengte sich, wurde zu einem schmalen Durchlass zwischen zwei hoch aufragenden Felswänden, die von ewigem Moos und Farnen überwuchert waren. Das Wasser des Gertelbachs schoss hier tosend durch die Schlucht, und das Licht eines herabstürzenden Wasserfalls tanzte in der Ferne.

Die Fee schwebte am Eingang dieser Schlucht, ihre Flügel leuchteten stärker im Sprühnebel des Wassers. Ihre stumme Geste zeigte den Weg ins Innere, wo der Donner des Wassers am lautesten war. Hans atmete tief ein, spürte den Schmerz in seiner Brust, aber auch eine neue Entschlossenheit. Die Worte der Hexen, die Prüfung des Vergessens, der Verlust Willis – all das hatte ihn nicht gebrochen. Es hatte ihn verändert. Er war nicht mehr der Mann, der blind der Gier gefolgt war. Er war auf dem Weg, ein anderer zu werden, und die Fee war seine unerschütterliche Begleiterin in die Tiefe dieser Transformation. Das Rauschen des Wassers rief ihn, ein Versprechen auf die nächste Prüfung, das nächste Tor.

© 26.05.2025 Gerd Groß 

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