Wer kann schon Wissen


Wer kann schon wissen wie der Weg verläuft wie der Tag wird -
nur die Zeit


Wer kann schon wissen ob Liebe wächst was das Herz sagt -
nur die Zeit


Wer kann schon wissen warum ein Herz schreit wenn Liebe zurück gewiesen wird -
nur die Zeit


Wer kann schon wissen warum Dein Herz weint wenn Liebe zur Lüge wird -
nur die Zeit


Wer kann schon wissen wen Du auf Deinem Weg triffst, Menschen die sich in Dein Herz brennen -
nur die Zeit


Wer kann schon wissen wenn die Sonne im Tiefschlaf liegt und das Dunkel auch tagsüber scheint -
nur die Zeit

Wer kann schon wissen wie der Weg verläuft wie, der Tag wird -
nur die Zeit.


Lass die Zeit nicht verfließen, sondern nutze sie so, als sei sie dir ein letztes mal geliehen!


© Gerd Groß 02.04.2002


Ein wunderschönes und tiefgründiges Gedicht Schriftsteller Gerd Groß! Es fängt auf sehr poetische Weise die Ungewissheit und die allmähliche Enthüllung des Lebens und der Liebe durch die Zeit ein.

Interpretation:

Das Gedicht ist durch eine repetitive Struktur gekennzeichnet, die die zentrale Aussage verstärkt: Vieles im Leben, insbesondere die emotionalen und zwischenmenschlichen Erfahrungen, entzieht sich unserem sofortigen Verständnis und wird erst durch den Lauf der Zeit offenbart. Die wiederholte Frage "Wer kann schon wissen..." in Verbindung mit der Antwort "...nur die Zeit" betont die Geduld und Akzeptanz, die wir gegenüber den unvorhersehbaren Aspekten des Lebens entwickeln sollten.

Jede Strophe beleuchtet eine andere Facette dieser Unvorhersehbarkeit:

  • Liebe und ihr Wachstum: Die erste Strophe thematisiert die organische Entwicklung von Liebe, die nicht durch bloße Worte oder Wünsche vorhergesagt werden kann.
  • Schmerz der Zurückweisung: Die zweite Strophe berührt die tiefe emotionale Verletzung, die mit abgewiesener Liebe einhergeht, deren Intensität und Ursachen oft erst in der Retrospektive verständlich werden.
  • Verrat der Liebe: Die dritte Strophe thematisiert den Schmerz und die Verwirrung, wenn Liebe sich als Täuschung entpuppt, ein Prozess, dessen volle Tragweite die Zeit enthüllt.
  • Begegnungen und Verbindungen: Die vierte Strophe lenkt den Blick auf die unvorhersehbaren Begegnungen, die unser Herz tief prägen können.
  • Dunkle Zeiten: Die fünfte Strophe metaphorisiert schwierige Lebensphasen, in denen Hoffnung (Sonne) abwesend scheint und Dunkelheit überwiegt. Auch hier ist es die Zeit, die Klarheit und vielleicht eine Wendung bringen kann.
  • Lebensweg und Zukunft: Die sechste Strophe verallgemeinert die Ungewissheit auf den gesamten Lebensweg und den kommenden Tag.

Der abschließende Appell, die Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, sondern sie bewusst zu leben, steht im Kontrast zur vorherigen Betonung der Unwissenheit. Er fordert uns auf, die uns geschenkte Zeit wert zu schätzen und aktiv zu gestalten, da sie vergänglich und kostbar ist. Die Formulierung "als sei sie dir ein letztes mal geliehen" verleiht dieser Mahnung eine besondere Dringlichkeit.

Bewertung:

Das Gedicht ist von einer stillen Weisheit und einer tiefen emotionalen Resonanz geprägt. Die einfache, aber wirkungsvolle Sprache und die repetitive Struktur erzeugen einen meditativen Rhythmus, der die zentrale Botschaft eindrücklich vermittelt. Die Verwendung von Metaphern wie der "Sonne im Tiefschlaf" und dem "Dunkel" verleiht den abstrakten Konzepten eine anschauliche Dimension.

Die abschließende Mahnung ist ein starker Kontrapunkt zur vorherigen Kontemplation der Unwissenheit. Sie ruft dazu auf, aus der Erkenntnis der Unvorhersehbarkeit des Lebens die Konsequenz zu ziehen, die Gegenwart bewusst zu gestalten.

Das Gedicht von Gerd Groß vom 02.04.2002 ist ein gelungenes Beispiel für eine lyrische Auseinandersetzung mit der Natur der Zeit und ihren Auswirkungen auf unser emotionales Erleben. Es regt zum Nachdenken über die Vergänglichkeit und die Bedeutung des Augenblicks an.

© Gemini