Once Upon Again


Es war an diesem wunderschönen Morgen, die Sonne in ihrem glanzvollen Aufstieg, die Vögel geschäftig am Teich und ich mit einem schwarzen Kaffee wohlschmeckend, sitzend auf meiner Terrasse, als unerwartet das Telefon klingelte.

Es war mein Freund, seine Stimme erregt, voller Eifer, noch nicht einmal meinen Gruß erwidert, sondern sofort, unverzüglich los plapperte und mir seine Geschichte erzählte:

"Ich habe heute Nacht die Frau meines Lebens getroffen. Ihr Blick ist dem Himmel entsprungen, durchdringend und nah. Ihre Augen liebkosend streicheln sie über mein Haar. Wir sahen uns tief und durchdringend an, um uns verging die Nacht - ein Strahlen drang durch ihre tiefblauen Augen, lange blonde Strähnen vom aufgewühlten Haar durchzogen ihr Gesicht. Mit jedem Wort wurde mein Herzschlag schneller und das Pochen in meinen Adern zu einem unüber hörbaren Musical. Doch jedes Mal, wenn mich ihr Blick vom Himmel hoch kommend streifte, ging ein kaltes Frösteln über meinen Rücken, abgelöst im Wechsel von wohliger Wärme und ihre Stimme …"

Er hielt kurz inne und gab sich seinen Empfindungen hin … War es doch eher ungewöhnlich, galt er doch eher für zurückhaltend, ein wenig introvertiert, dem ruhigeren Typ zuzurechnen und smart.

"Du bist verliebt" sagte ich und führte weiter aus " Du hast das einmalige Glück einen ganz besonderen Menschen getroffen zu haben. Sie gibt dir Geborgenheit, den nötigen Rückhalt und die Sicherheit auch bei geschlossenen Augen. Denn Liebe bedeutet Vertrauen und das Wissen, nicht belogen zu werden. Liebe ist geben und nehmen. Wahre Liebe gibt es nicht oft, sie ist dieses einmalige Gefühl, das letzte Puzzleteil gefunden zu haben, das zum völligen Glück noch gefehlt hat. Unbegrenzt zu lieben ist, wenn man sich von Kopf bis Fuß warm und zufrieden fühlt."

"Ja, jaa, ja, genauso habe ich gefühlt und fühle immer noch, jede Bewegung, jedes Berühren geht mir unter die Haut, jedes Wort berauscht meine Sinne, jeder Blick, fokussiert meine Gedanken, ein Rausch der Emotionen. Ich bin ihr in Leidenschaft ergeben und fühle mich wie im Paradies, so als ob die Sehnsucht ihre Sehnsucht gefunden hat. …"

Mein Freund verlor sich in seinen Gedanken und kurz, es war wirklich kurz, war eine endlose Stille zu spüren. - Spannender Moment, kaum erträglich auf seine nächsten Worte warten zu müssen, Endlosigkeit machte sich breit, dabei hatte ich doch so viele Fragen.

" Und …" rang ich von meiner Stimme ab, eigentlich ein nichts aussagendes etwas. Ich kam mir so leer vor oder hatte ich Angst vor der Geschichte - wie wird sie enden? Hat er sein lang ersehntes Glück gefunden oder …? Nein, ich weigerte mich, meine Intuition abzuschließen und lauschte der einsetzenden Stimme.

"Sie nahm meine Hand und führte mich an den nahegelegenen Strand, ich habe nur noch Augen für sie, sie stiehlt mir den Verstand. Mein Herz beginnt zu rasen, meinem Bewusstsein beraubt, ... unsere Schritte verhalten in der Unendlichkeit, im Lärm der Stadt …"

Meine Gedanken suchten nach Orientierung, nach Vermutung abwechselnd mit der Vorstellung: Was ist geschehen?

"... liebkosend berühren wir uns tief und innig in faszinierender Verbundenheit, ein Gefühl wie im Garten Eden. Ein erster Kuss, zuerst gehaucht, kaum verspürt … wich es einer Explosion, einem innigen Gefühl, durchdringend und einfühlsam. Streicheln, ein Hauch von einem Nichts verliert sich im Verlangen, ihr nah zu sein …"

Stopp, stopp, so ausführlich will ich das nicht wissen … und - es sollte euer Geheimnis sein. Erzähle mir, wie geht die Geschichte aus? Hast du ihre Telefonnummer oder Adresse, trifft ihr euch wieder?"

"Ich muss dir mehr erzählen, du sollst mich verstehen …"
"Ja, ja, ich höre dir zu ...."
"Unterbreche mich nicht! Ich erzähle dir meine Geschichte meines Lebens und du hörst mir nicht zu …"
"Aber was meinst du damit, ich soll dich verstehen?"
" … gewähre dir Einsicht in mein tiefstes Innere!"
"Das weiß ich zu schätzen, bitte entschuldige, erzähle weiter."
"Du hast mich schon wieder unterbrochen."

Ich schwieg und hörte ihm intensiv zu. Er verlor sich oft in vielen kleinen Details, viele Dinge, die zwar unbeschreiblich schön und einfühlsam waren, aber jetzt nicht hierher gehören.

"... unser Körper umschlungen sich, zärtlich, liebkosend, wir waren uns so nah, ein Prickeln …"

Plötzlich, Lärm von Verkehr, ein lauter Schrei - aber nur kurz, die Telefonverbindung war zusammengebrochen.

Hastig versuchte ich ihn zu erreichen - sein Telefon hatte keine Verbindung mehr. Angst, Panik und Hilflosigkeit stiegen in mir auf. Polizei, war mein Gedanke, kurz den Notruf gewählt, beschrieb die Geschehnisse …. Trocken in einer Amtssprache abgefasst, teilte man mir mit, dass im Moment kein Unfall mit Personenschaden vorliegen würde und ich mich beruhigen sollte ….

Doch Ungewissheit bohrt wie beim Zahnarzt, von links nach rechts und immer tiefer und der Schmerz steigert sich ins unermessliche. - Voller Ungewissheit und beißender Angst rief ich jeden nur denkbaren gemeinsamen Bekannten an; stammelte kaum verständliche Worte, beruhigte mich und versuchte, einen sachlichen Verhalt wiederzugeben. - Auch für die nächsten Tage blieben ihre Stimmen stumm.

Drei Tage später las ich nebenbei in der Presse von einer vergewaltigten und auf bestialische Art getöteten Frau am Alsterufer in der Nähe der Promenade in Hamburg. Blondes langes Haar, blaue Augen … keine Personalien feststellbar. Recherchen meinerseits ergaben auch noch einen schweren Unfall, auch in Hamburg, mit Todesfolge im Straßenverkehr. Er war wohl durch sein Handy abgelenkt zu Fuss direkt in ein Auto gelaufen.

Jetzt war ich mit meinen Gedanken allein - allein, mit einer Wahrheit, einer Vermutung oder doch nur unnötigen Überlegungen? Ich war sichtlich irritiert, vielleicht sogar verwirrt: habe ich gerade darüber nachgedacht, dass mein "toter" Freund ein Vergewaltiger und Mörder sein könnte? Jeder Versuch, mich zu beruhigen, mich zu koordinieren schlug zuerst fehl. - Tod, Vergewaltigung … habe ich einen Beweis für diese absonderliche Anschuldigung? Was ist geschehen, dass fast undenkbares Denkbar wird? Bin ich sein Freund …!? gilt nicht bis zum Schluss die Unschuldsvermutung?

Habe ich mich dabei selbst ertappt, wie meine Anschauungen mich verführen? Man ist geneigt, seinen Vorstellungen zu folgen, die, die das größte Aufsehen erregen, Errotik pur widerspiegeln, Spannung bis zum Ende versprechen, aber wo bleibt die Wahrnehmung für die Wahrheit?

Und du, lieber Leser - was denkst du? Sei ehrlich zu dir selbst und beende die Geschichte in deinem Sinne.


Variation 1:

Es ist so schmerzlich anzusehen, wie dein Geist im Wandel der Erkenntnisse nicht geahnte Wege beschreitet und du selbst musst dich mit den abstrusesten Gedanken auseinandersetzen, ohne Aussicht auf Erfolg. So ist die Lösung doch so nah: Die Zeit der Gunst positiv gestimmt und uns eine Geschichte bietet, die unserer Vorstellung von Wahrheit und Realismus entspricht.

Mein Freund war bei diesem Telefonat von einem Auto angefahren worden. Sein Smartphone wurde zerstört und er kam schwer verletzt ins Krankenhaus: Schwere Gehirnerschütterung, schmerzhafte Prellungen und Hämatome, ohne die Möglichkeit, Kontakt mit seiner Umwelt aufzunehmen.

Eine Woche später rief er mich endlich an. Seine Stimme war schwach, ängstlich aber voller Emotionen. Er erzählte mir die Geschichte weiter – von der Frau, die sein Herz berührt hatte, von ihren gemeinsamen Plänen und davon, dass sie sich viel näher gekommen sind, als es ihm seine Vorstellungen erlaubten. Es war seine große Liebe, sein Traum vom Glücklichsein, sein Wunsch nach Familie, von Harmonie und Vertrautheit.

Doch er hat die Frau seines Herzens verloren, in einem Augenblick der Unachtsamkeit. Was wusste er von ihr? - Nichts! Sie hatten sich verabredet, an einem Ort zu einer Zeit, als er noch im Koma lag. Er hatte noch nicht einmal ihren Namen, Telefonnummer oder E-Mail, geschweige eine Adresse. Wie sollte er sie wiederfinden in einer großen Stadt, mit ihren unzähligen Menschen, die nur an sich selbst interessiert sind? Es war hoffnungslos!

So vergingen die Tage und die Nächte der Zweifel, nur seine Genesung kam trotz aller körperlichen und geistigen Schmerzen gut voran und der Tag der Entlassung kam immer näher. Wer ihn von früher her kannte, musste erschrecken, war er doch nur noch ein Geist seiner selbst. Ängstlich, was wohl von seinem Unfall herrührte; unnahbar, Verlust seiner großen Liebe und diese Verschmelzung von tiefgreifenden Erlebnissen prägten seine Person in ihrem Verhalten.

Kaum in der Lage sein Gepäck zu ordnen und seine Entlassung mit den vielen Stationen von Ärzten, mit ihren Briefen, voll mit Diagnosen und Berichten zu organisieren, stand ich ihm beiseite und half ihm, wo man nur helfen konnte. Noch auf der Treppe fiel ihm ein, nicht im Bad gewesen zu sein. Nochmals hoch, neu gepackt, ging es hinunter zum Auto.

Manchmal spricht man von Wundern, hier durfte ich eins miterleben: Noch auf der Treppe sah er sie - und sie ihn. Beide Blicke trafen sich und sie betraten eine Halle ohne Zeit, in der die Ewigkeit in einem Momentum verschwindet und die Sehnsucht ihre Sehnsucht im Glück der Herrlichkeit findet. Man spürte das Beben, was beide erfasste und sie in einem Strudel der Unendlichkeit riss. Maßlos in ihrer Gier nach Freude, fanden sie ihre Liebe in der Achtsamkeit des anderen wieder. Was mag in diesem Augenblick der Freude geschehen … nur die, die wirklich lieben, können es fühlen.

Sie hatten sich gefunden, und trotz allem, was geschehen war, hatte ihre Geschichte ein gutes Ende genommen. Ich atmete erleichtert auf – nicht nur, weil mein Freund lebte und seine große Liebe fand, sondern weil ich erkannte, wie leicht man von düsteren Gedanken verleitet werden konnte, anstatt sich der Wahrheit zu öffnen.


©24.02.2020 Gerd Groß (06.02.2025 Variation 1)


Variation 2

Doch während ich in den folgenden Tagen die bruchstückhaften Erinnerungen an das Telefonat meines Freundes immer wieder durchging, beschlich mich ein zunehmend beunruhigendes Gefühl. Zu perfekt schien seine Schwärmerei, zu vage die Details abseits seiner eigenen Emotionen. War es möglich, dass die intensive Erzählung von der geheimnisvollen Unbekannten eine bewusst gelegte falsche Spur war?

Die fehlenden Kontaktdaten, die übertriebene Leidenschaft – könnten sie dazu gedient haben, von etwas anderem abzulenken? Etwas, das in der Nacht seines angeblichen Liebestraums tatsächlich geschah?

Die Nachricht von der ermordeten Frau am Alsterufer mit den ähnlichen Merkmalen traf mich wie ein Schlag. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Ungereimtheiten fielen mir auf. Mein Freund erwähnte keinen Spaziergang am Alsterufer. Seine Beschreibung des Ortes klang vager, intimer.

Was, wenn die "Frau seines Lebens" gar nicht das Opfer war? Was, wenn sie eine Komplizin war oder eine völlig unbeteiligte Person, die er als Teil seiner Inszenierung benutzte?

Der Autounfall, so plötzlich und endgültig, wirkte wie ein abrupter Schlussstrich unter eine Geschichte, die noch viele Fragen aufwarf. War es wirklich ein unglücklicher Zufall, oder ein verzweifelter Versuch, den Konsequenzen seiner Taten zu entkommen?

Getrieben von dieser nagenden Ungewissheit, intensivierte ich meine Nachforschungen. Ich sprach mit einer ehemaligen Kollegin meines Freundes, die mir von seiner labilen psychischen Verfassung in den letzten Monaten berichtete. Sie erzählte von einer kurzzeitigen, intensiven Beziehung zu einer Frau namens Sarah, die plötzlich und unerwartet endete. Ihre Beschreibung von Sarah stimmte erschreckend genau mit den Merkmalen des Mordopfers überein.

Ein alter Eintrag in den sozialen Medien meines Freundes führte mich zu Sarahs Profil. Dort fand ich kryptische Andeutungen auf einen heftigen Streit kurz vor ihrem Tod. Ein gemeinsamer Bekannter bestätigte mir, dass die beiden sich am Abend vor dem Mord am Alsterufer gestritten hatten.

Langsam fügten sich die Puzzleteile zusammen. Die leidenschaftliche Erzählung meines Freundes am Telefon war möglicherweise ein verzweifelter Versuch, sich ein Alibi zu schaffen, seine Verbindung zu Sarah zu verschleiern und den Fokus auf eine imaginäre, perfekte Begegnung zu lenken. Der abgebrochene Anruf könnte ein Moment der Panik gewesen sein, als die Realität seiner Tat ihn einzuholen drohte. Sein Unfall, abgelenkt und innerlich zerrissen, wäre dann die tragische Konsequenz seiner Schuld und seiner Flucht vor der Verantwortung gewesen.

Die Wahrheit, die sich schließlich in den Bruchstücken von Aussagen und digitalen Spuren offenbarte, war erschreckend: Mein Freund hatte Sarah im Affekt getötet und versucht, seine Tat durch eine konstruierte Liebesgeschichte zu verdecken. Der Unfall verhinderte seine Rechenschaftspflicht vor dem Gesetz, aber die Wahrheit seiner dunklen Tat blieb in den Herzen derer zurück, die ihn kannten. Meine anfängliche Verwirrung wich einem tiefen Entsetzen über die Abgründe der menschlichen Natur und der Erkenntnis, dass die Fassade des charmanten Freundes eine schreckliche Realität verbarg.

© 16.04.2025 Gerd Groß


Interpretation:
Diese Geschichte von Schriftsteller Gerd Groß ist ein faszinierendes und beunruhigendes Konstrukt, das auf mehreren Ebenen interpretiert werden kann. Sie spielt mit der Wahrnehmung des Lesers, der Dynamik zwischen Freundschaft und Misstrauen sowie der trügerischen Natur von Oberflächlichkeit und voreiligen Schlüssen.

Die anfängliche Euphorie und ihre dunkle Seite:

Die Schilderung der ersten Begegnung des Freundes ist von einem überwältigenden Gefühl der Verliebtheit und Leidenschaft geprägt. Die Sprache ist intensiv, fast rauschhaft ("Blick ist dem Himmel entsprungen", "Augen liebkosend streicheln", "Herzschlag schneller", "unüberhörbaren Musical"). Diese Beschreibung erzeugt beim Leser zunächst ein Bild von einer tiefgreifenden, fast transzendenten Erfahrung.

Doch von Anfang an werden subtile Hinweise auf eine mögliche dunklere Realität eingestreut. Das "kalte Frösteln" beim Blick des Freundes, der "vom Himmel hoch kommend" ihn streift, ist ein irritierendes Element, das nicht zur sonstigen Wärme und Intensität der Begegnung passt. Es könnte eine unbewusste Vorahnung des Erzählers oder des Freundes selbst sein, ein Gefühl, dass etwas nicht stimmt.

Die Reaktion des Erzählers, der die Verliebtheit seines Freundes zunächst positiv deutet und mit allgemeinen Definitionen von Liebe untermauert, wirkt in der Rückschau fast naiv. Er projiziert seine idealistischen Vorstellungen von Liebe auf die überschwängliche Erzählung seines Freundes, ohne die potenziellen Warnsignale ausreichend zu berücksichtigen.

Die Zerrissenheit des Freundes und die Ungeduld des Erzählers:

Die wiederholten Unterbrechungen des Erzählers und seine Ungeduld ("Stopp, stopp, so ausführlich will ich das nicht wissen") deuten auf eine gewisse Oberflächlichkeit in seiner Freundschaft hin. Er ist mehr an dem "Ausgang der Geschichte" interessiert als an den tieferen Empfindungen und der inneren Welt seines Freundes. Die Bitte, Details auszulassen, könnte auch eine unbewusste Vermeidung der möglicherweise verstörenden Realität sein.

Die Beharrlichkeit des Freundes, verstanden werden zu wollen ("Ich muss dir mehr erzählen, du sollst mich verstehen … gewähre dir Einsicht in mein tiefstes Innere!"), unterstreicht seine innere Zerrissenheit und sein Bedürfnis, seine intensive Erfahrung zu verarbeiten. Die abgebrochene Telefonverbindung am Höhepunkt der leidenschaftlichen Schilderung wirkt wie ein dramatischer Einschnitt, der die idyllische Oberfläche abrupt zerstört.

Die beunruhigende Wahrheit und die Ambivalenz des Erzählers:

Die Nachricht von der vergewaltigten und ermordeten Frau mit den схожими Merkmalen und der Unfall des Freundes werfen ein erschreckendes Licht auf die zuvor so enthusiastische Erzählung. Die zeitliche Nähe und die Details (blondes Haar, blaue Augen, Alsterufer) erzeugen eine beinahe unausweichliche Verbindung in den Gedanken des Erzählers – und des Lesers.

Die Reaktion des Erzählers ist von tiefer Verwirrung und moralischer Zerrissenheit geprägt. Die Frage, ob sein "toter" Freund ein Vergewaltiger und Mörder sein könnte, ist entsetzlich. Er ringt mit der Unschuldsvermutung und der Loyalität zur Freundschaft, während gleichzeitig die grauenhafte Möglichkeit im Raum steht.

Die abschließenden Fragen des Erzählers an sich selbst ("Habe ich einen Beweis für diese absonderliche Anschuldigung? Was ist geschehen, dass fast undenkbares Denkbar wird? Bin ich sein Freund …!?") spiegeln seine innere Qual wider. Er erkennt, wie leicht man von oberflächlichen Eindrücken und eigenen Vorstellungen getäuscht werden kann ("Man ist geneigt, seinen Vorstellungen zu folgen, die, die das größte Aufsehen erregen, Errotik pur widerspiegeln, Spannung bis zum Ende versprechen, aber wo bleibt die Wahrnehmung für die Wahrheit?").

Interpretationsebenen:

  • Die trügerische Natur der ersten Verliebtheit: Die Geschichte kann als Warnung vor der Verblendung durch intensive Gefühle interpretiert werden. Der Freund ist so überwältigt von seiner Erfahrung, dass er möglicherweise die Realität verzerrt wahrnimmt oder dunkle Aspekte ausblendet.

  • Die Brüchigkeit von Freundschaft: Die Ungeduld und Oberflächlichkeit des Erzählers in seiner Reaktion auf die intime Erzählung seines Freundes deuten auf eine mögliche Distanz oder ein mangelndes tiefes Verständnis zwischen ihnen hin. Die schreckliche Wahrheit stellt diese Freundschaft auf eine extreme Probe.

  • Die dunkle Seite der Leidenschaft: Die intensive, fast besessene Beschreibung der Begegnung des Freundes könnte im Nachhinein als Hinweis auf eine potenziell manipulative oder sogar gewalttätige Persönlichkeit interpretiert werden. Die "Leidenschaft ergeben" und das "Stehlen des Verstandes" bekommen einen bedrohlichen Unterton.

  • Die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung: Die Geschichte thematisiert die Subjektivität der Wahrnehmung und die Gefahr voreiliger Schlüsse. Der Erzähler ist hin- und hergerissen zwischen seiner Erinnerung an seinen Freund und den beunruhigenden Fakten.

  • Die Frage der Moral und der Unschuldsvermutung: Der Erzähler ringt mit der ethischen Frage, ob er seinen toten Freund verdächtigen darf, ohne Beweise zu haben. Die Unschuldsvermutung steht im Konflikt mit den erschreckenden Indizien.

Das offene Ende:

Das offene Ende, in dem der Leser aufgefordert wird, die Geschichte selbst zu beenden, ist ein bewusstes Stilmittel. Es zwingt den Leser, sich mit den aufgeworfenen Fragen auseinanderzusetzen und eine eigene moralische Position zu beziehen. Welche Schlüsse ziehen wir aus den Indizien? Wie beeinflusst unsere eigene Wahrnehmung unsere Urteile? Vertrauen wir der anfänglichen Beschreibung der Verliebtheit oder den beunruhigenden Fakten?

"Once upon again" im Titel deutet auf eine Wiederholung von Mustern oder eine zyklische Natur von Ereignissen hin. Es könnte bedeuten, dass solche trügerischen Begegnungen und die damit verbundenen moralischen Dilemmata immer wieder vorkommen können.

Insgesamt ist "Once upon again" eine psychologisch dichte und verstörende Geschichte, die die dunklen Abgründe menschlicher Beziehungen und die Komplexität der Wahrheit auf beunruhigende Weise erkundet. Sie lässt den Leser mit einem Gefühl der Ungewissheit und der Notwendigkeit einer kritischen Selbstreflexion zurück.

Diese erste Variation der Geschichte lenkt die Interpretation in eine völlig andere Richtung. Statt eines düsteren Thrillers entfaltet sich eine Geschichte über das Überwinden von Widrigkeiten, die Kraft der Hoffnung und das wundersame Wiederfinden der Liebe.

Die Auflösung des anfänglichen Rätsels:

Die Erklärung des Telefonats als Folge eines Verkehrsunfalls mit einhergehender schwerer Verletzung des Freundes löst die beunruhigende Ungewissheit der ursprünglichen Geschichte auf. Die abgebrochene Verbindung wird nun als technisches Problem im Kontext eines realen Unglücks erklärt. Die anfängliche Angst des Erzählers verwandelt sich in Sorge um seinen verletzten Freund.

Die Fortsetzung der Liebesgeschichte unter erschwerten Bedingungen:

Die Erzählung des Freundes aus dem Krankenhaus setzt die Liebesgeschichte fort, betont nun aber die Zerbrechlichkeit des Glücks und die Unvorhersehbarkeit des Lebens. Die gemeinsamen Pläne und die tiefe emotionale Verbindung werden hervorgehoben, was die Tragik des vermeintlichen Verlustes noch verstärkt. Die Unwissenheit des Freundes über die Identität der Frau (kein Name, keine Kontaktdaten) steigert die Hoffnungslosigkeit seiner Situation.

Die physischen und psychischen Folgen des Unfalls:

Die Beschreibung des Freundes als "Geist seiner selbst" verdeutlicht die tiefgreifenden Auswirkungen des Unfalls auf seine körperliche und geistige Verfassung. Die Ängstlichkeit und Unnahbarkeit sind nachvollziehbare Folgen eines traumatischen Erlebnisses und des Verlustes seiner neu gefundenen Liebe. Der Erzähler nimmt hier eine unterstützende Rolle ein und hilft seinem Freund in dieser schwierigen Zeit.

Das wundersame Wiedersehen:

Das unerwartete Wiedersehen auf der Treppe des Krankenhauses wird als ein fast übernatürliches Ereignis inszeniert ("Halle ohne Zeit", "Ewigkeit in einem Momentum verschwindet", "Sehnsucht ihre Sehnsucht im Glück der Herrlichkeit findet"). Es ist ein Moment der tiefsten emotionalen Intensität, der die vorherige Hoffnungslosigkeit in pure Freude verwandelt. Die "maßlose Gier nach Freude" und die Wiederfindung der Liebe in der "Achtsamkeit des anderen" betonen die tiefe Verbindung zwischen den beiden.

Die veränderte Perspektive des Erzählers:

Die abschließende Reflexion des Erzählers ist der zentrale Unterschied zur ersten Version. Er erkennt, wie leicht man von "düsteren Gedanken verleitet werden konnte" und wie wichtig es ist, sich der "Wahrheit zu öffnen". Die Wahrheit in dieser Variation ist eine Geschichte der Hoffnung, des Überlebens und des wundersamen Glücks. Der Erzähler hat aus seiner anfänglichen Panik und seinen negativen Spekulationen gelernt.

Interpretation Variation 1:

  • Die Kraft der Hoffnung und des Zufalls: Diese Version betont, dass selbst in scheinbar ausweglosen Situationen das Glück durch unerwartete Wendungen eintreten kann. Das Wiedersehen ist ein Beweis für die Unvorhersehbarkeit des Lebens und die Möglichkeit positiver Überraschungen.

  • Die Bedeutung von Unterstützung in schwierigen Zeiten: Die Rolle des Erzählers als helfender Freund unterstreicht die Wichtigkeit von sozialer Unterstützung bei der Bewältigung von Trauma und Verlust.

  • Die Überwindung von Widrigkeiten: Die Geschichte zeigt, wie sowohl der körperlich als auch emotional schwer getroffene Freund am Ende sein Glück findet. Es ist eine Erzählung von Resilienz und der Fähigkeit, nach Schmerz und Verlust wieder Hoffnung zu schöpfen.

  • Die Gefahr negativer Vorannahmen: Der Erzähler reflektiert seine eigene Neigung zu düsteren Gedanken, die in der ersten Version die Interpretation dominierten. Diese Variation plädiert für eine offenere und positivere Herangehensweise an unerwartete Ereignisse.

  • Die Definition von Liebe: Die Liebe zwischen den beiden wird als eine tiefe, fast schicksalhafte Verbindung dargestellt, die selbst die Widrigkeiten eines schweren Unfalls überdauern kann. Das Wiederfinden in einem "Momentum" der Ewigkeit unterstreicht die Intensität ihrer Gefühle.

Fazit zur Variation 1:

Diese alternative Lösung verwandelt die Geschichte von einem potenziellen Krimi in eine romantische Erzählung mit einer positiven Botschaft. Sie betont die Kraft der Hoffnung, die Bedeutung von Freundschaft und die Möglichkeit des Glücks selbst nach schweren Schicksalsschlägen. Der Erzähler lernt, seine voreiligen, negativen Schlüsse zu hinterfragen und sich für die positiven Wendungen des Lebens zu öffnen. Die Wahrheit, die sich hier offenbart, ist eine der wundersamen Fügungen und der unzerbrechlichen Kraft der Liebe.

Interpretation der Geschichte "Once upon again" (mit Variante 2 und Auflösung)

Die Geschichte von Schriftsteller Gerd Groß "Once upon again" entfaltet sich als ein beunruhigendes Psychogramm, das die Brüchigkeit der Wahrnehmung, die Komplexität von Freundschaft und die erschreckende Möglichkeit verborgener Abgründe thematisiert. Die anfängliche Idylle eines friedlichen Morgens wird durch den aufgeregten Anruf des Freundes jäh unterbrochen, dessen überschwängliche Schilderung einer nächtlichen Begegnung mit einer unbekannten Frau von Beginn an einen subtilen Schatten wirft.

Die Diskrepanz zwischen der euphorischen Erzählung des Freundes und dem unbestimmten Unbehagen des Erzählers erzeugt von Anfang an eine unterschwellige Spannung. Die fehlenden Details über die geheimnisvolle Frau und die Intensität der Gefühle des Freundes wirken fast zu perfekt, um wahr zu sein. Der Leser wird ebenso wie der Erzähler in einen Zustand der Ungewissheit versetzt, der durch den abrupt abgebrochenen Anruf noch verstärkt wird.

Die Nachricht vom gewaltsamen Tod einer Frau mit gleichen Merkmalen und der Unfall des Freundes stürzen den Erzähler in ein moralisches und emotionales Dilemma. Er ringt mit der Loyalität zu seinem Freund und der grauenhaften Möglichkeit, dass dieser in ein Verbrechen verwickelt sein könnte. Die Unschuldsvermutung steht im Kontrast zu den beunruhigenden Indizien.


Zentrale Themen und Motive:

  • Die Brüchigkeit der Wahrnehmung: Die Geschichte verdeutlicht, wie subjektiv und trügerisch die menschliche Wahrnehmung sein kann. Der Erzähler ist hin- und hergerissen zwischen der idealisierten Erzählung seines Freundes und den beunruhigenden Fakten. Auch der Leser wird dazu angehalten, seine eigenen Interpretationen zu hinterfragen.

  • Die Komplexität von Freundschaft: Die Geschichte wirft die Frage auf, wie gut wir unsere engsten Vertrauten wirklich kennen. Die Fassade des charmanten Freundes verbirgt möglicherweise eine dunkle Seite, die dem Erzähler verborgen blieb. Die Loyalität des Erzählers wird auf eine extreme Probe gestellt.

  • Die dunkle Seite der Leidenschaft und Obsession: Die überschwängliche Beschreibung der Verliebtheit kann im Nachhinein als Hinweis auf eine obsessive und potenziell gefährliche Persönlichkeit interpretiert werden. Die Intensität der Gefühle schlägt in Gewalt um.

  • Die Macht der Täuschung und Manipulation: Der Freund erweist sich als fähig zur Täuschung, indem er eine falsche Realität konstruiert, um seine Schuld zu verbergen. Die Sprache der Liebe wird zum Werkzeug der Manipulation.

  • Die Suche nach Wahrheit und die Konfrontation mit dem Abgrund: Der Erzähler wird gezwungen, sich mit den dunkelsten Abgründen der menschlichen Natur auseinanderzusetzen und die Möglichkeit zu erkennen, dass ein geliebter Mensch zu grausamen Taten fähig sein könnte.

  • Die Unausweichlichkeit der Wahrheit: Auch wenn der Freund durch seinen Tod der irdischen Justiz entkommt, so enthüllen die Nachforschungen des Erzählers die schreckliche Wahrheit seiner Tat.

Das offene Ende im Ursprung und die Auflösung in Variante 2:

Das ursprüngliche offene Ende der Geschichte fordert den Leser auf, seine eigene Interpretation zu finden. Die vierte Variante mit ihrer Auflösung bietet eine mögliche, erschreckende Antwort auf die aufgeworfenen Fragen. Sie führt den Leser in die Abgründe eines verborgenen Verbrechens und lässt ihn mit einem tiefen Gefühl des Unbehagens und der Erkenntnis zurück, wie trügerisch die Oberfläche der menschlichen Psyche sein kann.

Die Geschichte in dieser Fassung ist somit nicht nur ein psychologisches Drama, sondern auch ein subtiler Krimi, der die dunklen Seiten menschlicher Beziehungen und die erschreckende Möglichkeit verborgener Gewalt auf beunruhigende Weise erkundet. Die anfängliche Romantik verkehrt sich ins Gegenteil und enthüllt eine Realität voller Manipulation und tödlicher Konsequenzen.