Der Junge von Nebenan
Kapitel 37: Ein Raum entsteht
Der alte Lagerraum roch nach Staub, Metall und vergangenen Tagen. Die Fenster waren blind vor Schmutz, das Licht fiel nur gedämpft hinein – wie durch eine verblassende Erinnerung. Leo stand in der Mitte, Hände in den Taschen, stumm. An den Wänden klebte alte Farbe wie Geschichten von früher – vergilbt, vergessen.
"Hier soll's also losgehen", murmelte er.
David trat neben ihn. "Lange nicht genutzt. Früher mal 'ne Umkleide. Dann Abstellkammer. Jetzt vielleicht … ein Anfang."
Leo nickte langsam. Nicht, weil der Raum besonders war – sondern weil er spürte, was hier möglich sein könnte. Er dachte an Malik. An sich selbst. An all die, die zwischen Schule, Straße und Schweigen steckenblieben. Was, wenn es hier anders wäre?
"Ich will, dass es mehr wird als Training", sagte er leise. "Ein Ort, wo du nicht erst stark sein musst, um anzukommen."
David sagte nichts. Aber sein Blick sprach – wie immer – das Unsichtbare aus: Zweifel. Hoffnung. Vertrauen. Kein Schulterklopfen. Nur Stille, die Raum ließ.
Sie begannen. Räumten aus. Trugen Schutt. Warfen Ballast raus – alte Matratzen, kaputte Bänke, rostige Haken. Leo schwitzte. Schürfte sich die Finger auf. Und doch war es kein Schmerz, der weh tat – sondern einer, der etwas löste.
Ayla tauchte als Erste auf. Dunkle Locken, wache Augen. "Ich hab gehört, du machst was hier", sagte sie knapp. Leo nickte. Sie blieb.
Eren kam zwei Tage später. Still, zögernd, aber mit dieser Art Blick, der nach Halt suchte, ohne ihn zu zeigen. Leo kannte diesen Blick. Auch er blieb.
Sie fingen an, gemeinsam zu streichen. Neue Farbe, neue Gedanken. Hellgrau die Wände, ein schlichter Boden, einfache Matten. Kein Logo, kein Schild an der Tür. Aber es fühlte sich richtig an.
Malik meldete sich nicht. Doch Leo dachte bei jedem Griff, bei jedem Schlagbohrer, bei jedem Pinselstrich an ihn. Als würde jeder Handgriff sagen: Ich halte deinen Platz frei.
Dann, an einem verregneten Nachmittag, saß Leo allein auf dem Boden, Rücken an der Wand, das alte Notizbuch in der Hand. Das, in dem er einst Herrn Weber schrieb. Er blätterte, las Fragmente, Sätze, Erinnerungen.
Dann schrieb er eine neue Zeile:
"Ein Raum entsteht, wenn jemand ihn braucht."
Von draußen kamen Schritte. Zwei Kids, vielleicht zehn, vielleicht zwölf. Neugierig. Scheu. Leo stand auf. Ging zur Tür. Öffnete sie.
"Hi", sagte er. "Schuhe aus. Keine Angst – wir fangen ganz von vorn an."