Die Hure die wir lieben


Woher kommst du Hure unserer Träume,
bist du die Wollust die wir versäumen?
Deine Erscheinung so hell für uns erstrahlt,
nicht nur ich bin es, der damit prahlt.


Alle wollen dich gern besitzen
auch wenn wir dafür müssen schwitzen.
Jeder will dich gern berühren,
hast keine Angst uns zu verführen!


Nur du schenkst uns die vermeintliche Liebe,
doch manchmal sind es nur die harten Hiebe,
die uns das Leben so erschweren
und nicht das zweifelhafte Glück erklären.


Du bist bei uns und doch sind wir allein,
wenn du verweilst ein kurzes Stündelein.
Bist schnell von deiner Pflicht entbunden,
wenn du dich hast zur Arbeit überwunden.


Es ist so schwer dich festzuhalten,
manch einer braucht dazu das Fehlverhalten.
Trotzdem bist du nicht die Anekdote,
sondern du bleibst nur - unsere Banknote.


© 23.12.2002 Gerd Groß


Interpretation:

Das Gedicht von Schriftsteller Gerd Groß verwendet die provokante Metapher der "Hure unserer Träume" nicht für eine Person im Sinne käuflicher Liebe, sondern als Sinnbild für das Geld ("unsere Banknote") und die Art und Weise, wie Menschen sich zu ihm verhalten und welche Illusionen sie damit verbinden.

  • Die Verlockung des Geldes: Die erste Strophe fragt nach der Herkunft dieser "Hure unserer Träume" und deutet an, dass sie die "Wollust" verkörpert, die wir uns oft versagen oder nach der wir uns sehnen. Ihre "helle Erscheinung" symbolisiert den scheinbaren Glanz und die Anziehungskraft des Geldes, mit dem sich viele gerne brüsten.

  • Das Streben nach Besitz: Die zweite Strophe beschreibt das allgemeine Verlangen, Geld zu besitzen, selbst wenn es Anstrengung ("schwitzen") kostet. Jeder möchte es "berühren" und sich von seiner vermeintlichen Macht "verführen" lassen.

  • Die trügerische "Liebe" des Geldes: Die dritte Strophe entlarvt die "vermeintliche Liebe", die das Geld verspricht. Stattdessen kann es zu "harten Hieben" führen, das Leben erschweren und das erhoffte Glück nicht erklären. Dies spielt auf die negativen Auswirkungen des Geldstrebens und die damit verbundenen Probleme an.

  • Die vergängliche Nähe des Geldes: Die vierte Strophe betont die Isolation ("sind wir allein"), selbst wenn man kurzzeitig im Besitz von Geld ist ("ein kurzes Stündelein"). Seine "Pflicht" ist schnell erfüllt, und es "entwindet" sich wieder, sobald es ausgegeben oder für "Arbeit" eingesetzt wurde.

  • Die Schwierigkeit, Geld zu halten: Die fünfte Strophe thematisiert die Flüchtigkeit des Geldes und die oft unkonventionellen oder gar unmoralischen Wege ("Fehlverhalten"), die manche einschlagen, um es "festzuhalten". Trotzdem bleibt es keine bleibende "Anekdote" oder Quelle tiefer Zufriedenheit, sondern letztendlich nur ein Mittel zum Zweck – eben eine "Banknote".

Bewertung:

Diese Interpretation enthüllt das Gedicht als eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Geldes in unserer Gesellschaft und den Illusionen, die wir damit verbinden. Die Metapher der "Hure unserer Träume" ist nun ein kraftvolles Bild für die Art und Weise, wie Geld uns verlocken, uns kurzfristige Befriedigung versprechen und uns letztendlich doch oft im Stich lassen kann.

Das Gedicht entlarvt die Oberflächlichkeit des reinen Geldstrebens und die damit verbundene emotionale Leere. Es zeigt, wie das Verlangen nach finanziellem Besitz unser Denken und Handeln bestimmen kann, ohne dabei wahres Glück oder dauerhafte Erfüllung zu bringen.

Die zynische und illusionslose Sprache bleibt bestehen, gewinnt aber durch die neue Deutungsebene noch an Schärfe. Das Gedicht regt zum Nachdenken über unser eigenes Verhältnis zum Geld und die wahren Quellen von Glück und Zufriedenheit an.

© Gemini