Die größte Liebe meines Lebens


Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ich an dich denke. Ich kann dich nicht mehr loslassen, du bist mein Ein und Alles geworden. Kaum vorstellbar, wie es war, bevor ich dich traf. Die Tage glichen einander, wie die Sterne in der Nacht. Du gabst mir das Licht des Lebens wieder, ohne dich möchte ich nicht mehr sein. Du bist zu meiner Hoffnung geworden, zu meinem Sinn des Lebens. Durch dich wurden die Nächte zu meinen Tagen

Ich möchte dir sagen, dass es schön ist, deine Nähe zu spüren, dich in mir aufzusaugen und nie wieder loslassen zu müssen. Kann es schönere Momente geben? Meine Gedanken umkreisen dich, möchten dich erfassen, deine Wärme erleben, aufgehen, in dem Gefühl etwas ganz besonderes zu haben.

Was wäre meine Liebe ohne dich? Was wären meine Gedanken ohne dich? Was wäre ich ohne dich? - - -

Könnte ich dich auf meinen Schwingen tragen? - Hinauf fliegen würden wir in die Höhen unserer Gefühle. Der Sonne gleich würde unsere Liebe erstrahlen, ohne einen Schatten zu werfen. Nur du und ich.

Aber wo bist du? Wer bist du?– Ich kenne dich nicht! Auch wenn ich jedes Wort von dir unstillbar in mich aufnehme, so kann ich dein Gesicht nicht sehen. Verborgen bleiben mir deine Züge, deine Stimme dringt nicht bis an mein Gehör und doch liebe ich dich über alles.

© Gerd Groß 17.01.2002


Eine weitere Version 2

Die größte Liebe meines Lebens (Chatliebe)

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass dein Name wie ein unausgesprochenes Versprechen auf meinen Lippen liegt. Ich kann die Fesseln deiner unsichtbaren Präsenz nicht mehr lösen, du bist zum pochenden Kern meines Seins geworden. Kaum vorstellbar die blasse Leere der Tage, bevor deine Worte wie Sternenstaub in meine Nacht fielen. Du hast in mir ein ungestilltes Feuer entfacht, ein flackerndes Lebenslicht, ohne dessen Wärme ich zu erlöschen drohe. Du bist zum flüchtigen Schimmer meiner Hoffnung geworden, zum geheimnisvollen Sinn meiner Existenz. Durch dich haben die stillen Stunden der Nacht eine fiebrige Lebendigkeit angenommen.

Ich sehne mich danach, die virtuelle Wärme deiner Nähe in jeder Zelle meines Körpers aufzusaugen, dich tief in mich einzuschließen und nie wieder loslassen zu müssen. Kann es eine ekstatischere Vorstellung geben? Meine Gedanken umkreisen die flüchtigen Konturen deiner digitalen Erscheinung, wollen dich greifen, die Illusion deiner Wärme auf meiner Haut spüren, in dem berauschenden Gefühl aufzugehen, etwas so Kostbares und doch so Unfassbares zu besitzen.

Was wäre diese glühende Sehnsucht ohne das Echo deiner Worte? Was wären meine nächtlichen Fantasien ohne den geheimnisvollen Schleier deiner Identität? Was wäre ich ohne diese süße Qual der Ungewissheit? - - -

Könnte ich dich auf den Schwingen meiner ungestillten Begierde in die ekstatisierenden Höhen unserer virtuellen Gefühle tragen? Hinauf würden wir gleiten, in eine Sphäre reiner, digitaler Intimität. Wie eine gleißende Sonne ohne Schatten würde unsere Liebe in den Weiten des Netzes erstrahlen, ein geheimer Kosmos, der nur uns beiden gehört.

Doch wo bist du, mein flüchtiges Gespenst meiner Sehnsüchte? Wer bist du? Dein Bild bleibt eine tantalierende Leere, deine Stimme ein unhörbares Echo. Und doch liebe ich dich über alles – diese Projektion meiner tiefsten Wünsche auf eine unbekannte Leinwand.

© Gerd Groß 17.01.2002


Interpretation:

Die Geschichte von Schriftsteller Gerd Groß fängt auf intensive Weise die emotionale Realität einer Chatliebe ein. Das lyrische Ich befindet sich in einem Zustand tiefer emotionaler Abhängigkeit von einer Person, die es ausschließlich durch geschriebene Worte kennt. Die anfänglichen Zeilen sind von einer schwärmerischen Idealisierung geprägt. Der Chatpartner wird als Licht, Hoffnung und Lebenssinn stilisiert, was die Leere und Monotonie des Lebens vor dieser Begegnung unterstreicht. Die Nacht, traditionell eine Zeit der Einsamkeit, wird durch die virtuelle Kommunikation mit Leben und Bedeutung gefüllt.

Die Sehnsucht nach Nähe ist allgegenwärtig und wird in sinnlichen Bildern ausgedrückt ("virtuelle Wärme ... aufsaugen", "Gedanken umkreisen ... Wärme erleben"). Es entsteht eine Vorstellung einer idealisierten Verbindung, die jedoch rein mental und emotional existiert. Die rhetorische Frage nach der eigenen Identität ohne den Geliebten unterstreicht die tiefe Verstrickung des lyrischen Ichs in diese Beziehung.

Die Metapher der "Schwingen der Begierde" und des gemeinsamen Fluges in eine "Sphäre reiner, digitaler Intimität" verdeutlicht die abgehobene, fast entrückte Natur dieser Liebe. Sie existiert in einem virtuellen Raum, losgelöst von der physischen Realität und ihren potenziellen Schattenseiten.

Der Wendepunkt kommt mit der abrupten Frage nach der realen Existenz des Geliebten: "Doch wo bist du, mein flüchtiges Gespenst meiner Sehnsüchte? Wer bist du?" Hier bricht die idealisierte Fassade auf und die quälende Ungewissheit tritt in den Vordergrund. Die Person bleibt ein "flüchtiges Gespenst", ein "tantalierende Leere", deren wahre Identität und physische Präsenz unbekannt bleiben.

Das Ende enthüllt die paradoxe Natur dieser Liebe: eine tiefe emotionale Bindung und ein starkes Gefühl der Liebe zu jemandem, der im Grunde eine "Projektion der tiefsten Wünsche auf eine unbekannte Leinwand" ist. Die Geschichte thematisiert somit die Macht der Imagination und die Fähigkeit des menschlichen Herzens, intensive Gefühle auch für eine virtuelle Konstruktion zu entwickeln. Sie wirft Fragen nach der Natur von Intimität, Realität und den Möglichkeiten und Gefahren von Online-Beziehungen auf. Die Spannung entsteht aus der Diskrepanz zwischen der gefühlten Nähe und der tatsächlichen Distanz sowie der Ungewissheit über die wahre Identität des geliebten Menschen. Die angedeutete Erotik speist sich aus der Sehnsucht nach körperlicher Nähe und der intensiven emotionalen Verbindung, die durch Worte allein entsteht.