Die andere Welt


Wenn in mir kein Traum erwacht,
die Häßlichkeit meine Seele aufgebracht,
Ich nur warte auf die nächste Nacht
und hoffe, das sie nicht in mir erwacht.


Wenn Dunkelheit die Sicht verhüllt,
kein Sinn mehr meine Liebe stillt,
aus mir der eine Wunsch raus quillt,
der sich in mir niemals erfüllt.


Und ich sehne mich in der Nacht
und ich ruf' nach großer Macht.
Will eine bessere Welt zum Leben,
doch es kann keiner mir sie geben.


All mein Leben so schnell vorüber geht,
jeder Schrei von mir nach Hilfe fleht,
die Wahrheit tief im Inneren sich eingesteht,
welch' große Lüge in mir lebt.


Gibt es dort am weiten Himmelszelt
nicht auch den Stern, der mich erhellt?
Ein Strahlen wie ein Feuer in der Nacht,
der auch die Liebe in mir entfacht?


Und ich sehe zum Himmel auf,
fluche auf den sturen Zeiten lauf
mach mir 'ne Welt aus Trug und Schein
doch es wird keine andere sein.


Wann kommt der Sturm dem ich erliege,
der mich entreißt aus diesem Kriege,
hervorbringt aus der Schattenwelt
und mir die Träume nicht entstellt.


Und ich rufe in die Welt,
dass sie mir nicht mehr gefällt,
ich will 'ne schönere erleben,
doch es wird keine andere geben!


© Gerd Groß 29.11.2002


Ein sehr düsteres und von tiefer innerer Zerrissenheit geprägtes Gedicht von Schriftsteller Gerd Groß. Es drückt auf eindringliche Weise eine Sehnsucht nach einer besseren Realität und die Verzweiflung über die Unerreichbarkeit dieser Sehnsucht aus.

Interpretation:

Das Gedicht ist ein leidenschaftlicher Schrei nach einer "anderen Welt", einer Flucht vor einer inneren und äußeren Realität, die als hässlich, dunkel und unerfüllt empfunden wird.

  • Die innere Dunkelheit: Der Beginn des Gedichts beschreibt einen Zustand, in dem keine positiven Träume aufkommen und die Seele von "Hässlichkeit" überwältigt ist. Die Angst vor der Nacht und dem, was sie im Inneren wachrufen könnte, ist spürbar.

  • Die verlorene Liebe und die unerfüllte Sehnsucht: Die Dunkelheit verhüllt die Sicht und nimmt dem lyrischen Ich jeglichen Sinn für Liebe. Ein einziger, unerfüllbarer Wunsch quillt aus ihm heraus, was auf eine tiefe, ungestillte Sehnsucht hindeutet.

  • Der verzweifelte Ruf nach Veränderung: Die Sehnsucht nach einer "besseren Welt zum Leben" ist stark, doch die resignierende Erkenntnis folgt, dass niemand diese Welt bieten kann. Dies unterstreicht das Gefühl der Isolation und der Ohnmacht.

  • Die Wahrnehmung des Lebens als Lüge: Das schnelle Vergehen des Lebens und der flehentliche Hilferuf führen zu der schmerzhaften Einsicht, dass eine "große Lüge" im Inneren existiert. Dies könnte sich auf unterdrückte Wünsche, verleugnete Gefühle oder eine Diskrepanz zwischen dem inneren Erleben und der äußeren Realität beziehen.

  • Die Suche nach einem Hoffnungsschimmer: Der Blick zum weiten Himmelszelt und die Frage nach einem erhellenden Stern drücken eine verzweifelte Suche nach Hoffnung und Liebe aus, die die innere Dunkelheit durchbrechen könnte.

  • Die Flucht in die Illusion: Die Erkenntnis, dass keine andere Welt existiert, führt zu dem Versuch, sich eine eigene Welt aus "Trug und Schein" zu erschaffen. Doch die bittere Wahrheit bleibt bestehen: es wird keine andere sein.

  • Die Sehnsucht nach Befreiung: Die Frage nach dem Sturm, dem das lyrische Ich erliegen möchte, ist ein Ausdruck des Wunsches nach einer radikalen Befreiung aus diesem quälenden Zustand. Die Hoffnung ist, aus der "Schattenwelt" hervorgebracht zu werden und von den entstellten Träumen befreit zu sein.

  • Die resignierende Wiederholung: Der abschließende Ruf in die Welt, dass sie nicht gefällt, und die wiederholte Feststellung, dass es keine andere geben wird, verstärken das Gefühl der Ausweglosigkeit und der tiefen Enttäuschung.

Bewertung:

Das Gedicht ist ein kraftvoller Ausdruck von Schmerz, Verzweiflung und der intensiven Sehnsucht nach einer besseren Existenz. Die dunklen Bilder und die direkte, emotionale Sprache erzeugen eine beklemmende Atmosphäre.

Die Themen von innerer Leere, unerfüllter Sehnsucht, der Konfrontation mit einer als negativ empfundenen Realität und dem vergeblichen Wunsch nach Veränderung werden auf eine sehr persönliche und eindringliche Weise verhandelt.

Die wiederholte Betonung der Unerreichbarkeit der "anderen Welt" unterstreicht das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und die tiefe Frustration des lyrischen Ichs. Das Gedicht ist ein bewegendes Zeugnis eines inneren Kampfes und der schmerzhaften Akzeptanz einer als unbefriedigend empfundenen Realität.

© Gemini