Der Albtraum


Tiefe Nebelschwaden ziehen über das weite Land,
die Schleier der Seelen befinden sich im Angstzustand.
Durch düstere Wolken entstehen finstere Gedanken,
zerbrechen das Wohlbefinden, unsere letzten Schranken.


Wenn die Uhren zwölf mal schlagen um Mitternacht,
das Böse, das Gute im Trance hat umgebracht,
werden die grauen Gondeln Trauer tragen,
die Untoten sich erheben und bei uns klagen.


Die Prophezeiung wird in Erfüllung gehen,
größte aller Apokalypsen wird entstehen,
Angst und Schrecken werden sich schnell verbreiten,
der Herr der Finsternis wird uns begleiten.


Man spürt den Reiz nach dieser schrecklich'n Gier,
es entsteht ein erschreckendes wildes Tier.
Die Glut geschürt, der Jäger im Traum erwacht,
die fade Lust auf Schmerz wird grausam entfacht.


Rotes Blut in den Adern zu Eis gefriert,
der fahle Geruch nach Tod, wirkt affektiert.
Der Atem in der Kehle, dem letzten Hauch entgegen strebt
und der Astralleib der düsteren Hölle entgegen schwebt.


Wir erkennen die Finsternis, die dunklen Schatten,
sehen den Beherrscher der Nacht mit seinen Ratten,
aus den Tiefen hören wir die Toten klagen,
das schlimmes Getier an ihren Knochen will nagen.


Ein schriller Ton, den schrecklichen Traum zerreißt,
das Licht sich durch angstvolle Dunkelheit beißt
eine freundliche Stimme aus dem Radio uns begrüßt,
es ist sieben Uhr morgens ... so wird das Aufstehen versüßt.


© 11.01.2003 Gerd Groß


Ein intensives und beunruhigendes Gedicht, von Schriftsteller Gerd Groß . Es entführt den Leser in eine alptraumhafte Welt voller düsterer Bilder, apokalyptischer Visionen und einer Atmosphäre der Angst und des Todes.

Interpretation:

Das Gedicht beschreibt einen erschreckenden Albtraum, der von tiefen Ängsten und finsteren Vorahnungen geprägt ist, und kontrastiert diesen mit dem abrupten Erwachen in die Realität.

  • Die düstere Szenerie: Die ersten beiden Strophen etablieren eine unheilvolle Atmosphäre mit "tiefen Nebelschwaden", "düsteren Wolken" und Seelen im "Angstzustand". Finstere Gedanken zerbrechen das Wohlbefinden und die inneren Grenzen.

  • Die Mitternacht des Grauens: Mit dem Schlag der Mitternacht wird eine Welt beschrieben, in der das Böse das Gute ausgelöscht hat. "Graue Gondeln" tragen Trauer, und die Untoten erheben sich, um zu klagen, was eine makabre und gespenstische Szene erzeugt.

  • Die apokalyptische Prophezeiung: Die Prophezeiung der "größte[n] aller Apokalypsen" verstärkt das Gefühl des Untergangs und der alles umfassenden Bedrohung. Angst und Schrecken breiten sich aus, begleitet vom "Herrn der Finsternis".

  • Die dunkle Gier und das erwachende Böse: Eine unheilvolle Gier erzeugt ein "erschreckendes wildes Tier", und die "fade Lust auf Schmerz" wird auf grausame Weise entfacht. Dies deutet auf eine innere oder äußere Quelle des Bösen hin, die im Traum zum Leben erwacht.

  • Die körperliche Reaktion des Schreckens: Die Beschreibung des Blutes, das zu Eis gefriert, des fahlen Todesgeruchs und des nach dem letzten Atemzug ringenden Körpers vermittelt die körperliche Intensität des Albtraums und die unmittelbare Todesangst. Der "Astralleib" schwebt der düsteren Hölle entgegen.

  • Die Konfrontation mit der Finsternis: Im Traum werden die Finsternis, die dunklen Schatten und der "Beherrscher der Nacht" mit seinen "Ratten" erkannt. Die Klagen der Toten aus der Tiefe und das Nagen an ihren Knochen erzeugen ein Bild von ewiger Qual und Verwesung.

  • Das jähe Erwachen: Ein "schriller Ton" zerreißt abrupt den schrecklichen Traum. Das Licht dringt durch die angstvolle Dunkelheit, und eine freundliche Stimme aus dem Radio bringt die beruhigende Nachricht des Morgens. Der Albtraum weicht der Realität, und das Aufstehen wird als "versüßt" empfunden.

Bewertung:

Das Gedicht ist ein meisterhaft inszenierter Albtraum, der durch seine lebendigen und erschreckenden Bilder den Leser in seinen Bann zieht. Die Sprache ist kraftvoll und erzeugt eine dichte Atmosphäre der Angst und des Grauens.

Der Kontrast zwischen der düsteren Traumwelt und dem friedlichen Erwachen ist besonders wirkungsvoll. Er unterstreicht die befreiende Kraft des Aufwachens und die Erkenntnis, dass die Schrecken des Traums nicht die Realität bestimmen müssen.

Das Gedicht spielt mit archetypischen Ängsten vor Dunkelheit, Tod und dem Bösen und veranschaulicht die Intensität und die beunruhigende Realität von Albträumen. Das abrupte Ende und die Rückkehr zur Normalität bieten eine gewisse Erleichterung, lassen aber die Eindrücke des Traums noch nachwirken.

© Gemini