Das Geheimnis der Burg Nideck

Kapitel 8


Liliths Schatten: Zwischen Wald und Burg

Der Wald wird dichter, die Schatten länger, je tiefer Jonas, Leana und das Riesenmädchen vordringen. Die Luft ist schwer vom Duft feuchten Mooses, doch eine unheilvolle Stille liegt zwischen den Blättern, die ihre Schritte schwer macht. Die alten Bäume flüstern mit warnender, trauriger Stimme – und sie erzählen von Opfern, die noch kommen werden.

"Hier ist die Grenze zwischen dem, was wir kennen, und dem, was verborgen bleibt," sagt das Riesenmädchen leise. "Lilith lebt dort, wo die Welt am tiefsten atmet."

Sie wagen sich tiefer hinein, wo das Licht kaum noch die Erde berührt und die Schatten der Äste wie Finger ihre Gesichter streifen. Und dann stehen sie vor ihr. Eine Gestalt, die selbst zum Schatten zu werden scheint, kaum sichtbar in der Dunkelheit.

Lilith ist nicht die Frau, die man erwartet hätte. Ihr Haar ist wild und schwarz wie die Nacht, ihre Augen funkeln wie Sterne, die den Himmel verhüllen. Halb Mensch, halb Wesen des Waldes, scheint sie verloren in der Zeit. "Warum sucht ihr mich?" Ihre Stimme klingt wie Melodie und Warnung zugleich.

Jonas tritt vor. "Wir brauchen deine Hilfe. Die Burg frisst sich in das Land, reißt Wunden auf, die der Wald nicht heilen kann. Du bist Hüterin hier. Ohne dich sind wir verloren."

Lilith blickt lange, dann senkt sie die Augen. "Der Wald weint – sein Schmerz ist auch mein Schmerz. Doch glaubt nicht, ich will nur schützen. Der Wald fordert Respekt – und Opfer. Und die Opfer sind manchmal größer, als ihr es euch vorstellen könnt, gefordert von jenen, die das Gleichgewicht zerstören."

Weit entfernt, hinter den Mauern der Burg Nideck, entfalten sich andere Dramen. Die Herren der Burg spüren die Bedrohung der alten Kräfte des Waldes und schmieden Pläne, stärker als Stein und Eisen. Intrigen werfen lange Schatten durch kalte Hallen, und jeder Schritt könnte das Schicksal der Welt entscheiden.

Jonas und Leana spüren die Last der Wahl. Liliths Worte brennen in ihren Herzen: Nur wer den Wald wirklich versteht, darf hoffen, ihn zu retten. Doch der Weg ist dunkel, und die Schatten in der Burg lang.

"Der Kampf beginnt," flüstert das Riesenmädchen, während die Nacht langsam das Tal verschlingt. "Zwischen Wald und Burg entscheidet sich das Schicksal der Nideck – und das Schicksal derer, die sich für eine Seite entscheiden, unwiderruflich."


© 14.08.2018 Gerd Groß (mehrfach überarbeitet bis Mai 2025)  

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