Das Geheimnis der Burg Nideck

Kapitel 25


Das Bündnis der Naturhüter

Kaum hatten Jonas und Leana das warme Leuchten des Riesenspielzeugs tief in sich aufgenommen, öffnete sich vor ihnen ein verborgenes Portal. Aus ihm strömte der sanfte Duft von Tannen und frischem Regen, der sie wie ein Hauch von alter Zeit umfing. Das Tor führte hinaus aus der geheimnisvollen Kammer und hinein in einen uralten Hain, dessen Bäume hoch und ehrfurchtgebietend in den Himmel ragten, ihre Kronen ein smaragdgrünes Dach bildend, das den Boden sanft beschattete. Ein seltsamer Kälteschauer durchzog Jonas, der nichts mit der Temperatur zu tun hatte. Eine Ahnung, dass diese Schönheit ein fragiles Gleichgewicht barg, das jederzeit kippen konnte.

Inmitten des Hains lag ein Kreis aus mächtigen Steinen, jeder von ihnen bedeckt mit leuchtenden Runen, deren Wissen uralt war wie die Erde selbst. Aus dem schattigen Grün trat eine Gestalt hervor – halb Mensch, halb Baum, mit Augen, die wie funkelnde Blätter in der Sonne glitzerten. Es war der Geist des Waldes, der Hüter der alten Bündnisse zwischen allem Leben und der Erde. Seine knorrigen Finger glichen Ästen, doch seine Miene war ernst, schwer von Sorge.

"Ihr habt die Prüfungen bestanden," sprach die Gestalt mit einer Stimme, die klang wie das Flüstern der Blätter im Wind. "Doch eure Reise ist nicht vollendet. Um das Gleichgewicht zu wahren, müsst ihr das uralte Bündnis erneuern – das Versprechen, dass Menschen und Natur einander schützen und ehren." Ein Schatten zog über das Gesicht des Geistes. "Doch die, die einst brachen, schweigen nicht still. Ihre Schatten werden versuchen, euch zu folgen, das Bündnis zu zerreißen."

Jonas und Leana knieten ehrfürchtig nieder, während der Geist ihre Hände berührte. Eine sanfte Wärme durchströmte sie, verband ihre Herzen mit der Weisheit und Kraft des Waldes, ließ sie die Wurzeln spüren, die tief in der Erde ruhten, und die Äste, die gen Himmel ragten.

"Ihr werdet zu Naturhütern," fuhr der Geist fort, "bewahrt das Geheimnis der Riesen, schützt die Natur vor der Gier der Menschen und stärkt die Brücke zwischen den Welten." Leana spürte den Ruf der Erde, doch auch den Widerstand in der menschlichen Welt, der sich wie eine kalte Mauer vor ihr aufzutürmen schien.

Plötzlich spross aus der Erde eine kleine Pflanze, die in Windeseile zu einem prächtigen Baum wuchs. "So wie dieser Baum wurzelt ihr in der Erde und streckt eure Zweige gen Himmel. Eure Taten werden die Zukunft formen." Doch Jonas sah auch, wie schnell ein solcher Baum gefällt werden konnte, und die Verletzlichkeit des Lebens, das er nun beschützte, schnürte ihm die Kehle zu.

Bevor der Geist des Waldes in den Schatten zurückkehrte, überreichte er ihnen ein kleines Amulett aus uraltem Holz, in das eine einzelne Rune eingraviert war. "Dieses Amulett wird euch leiten, wenn Dunkelheit naht. Es wird euch warnen vor den gierigen Herzen und den scharfen Klingen, die das Alte fürchten. Doch seid gewarnt: Nicht alle, denen ihr begegnet, sind Freunde."

Hand in Hand verließen Jonas und Leana den heiligen Hain, bereit, ihre Aufgabe als Naturhüter anzutreten. Der Wind trug ihre Schritte voran, während das leise Rascheln der Blätter wie ein uraltes Versprechen erklang – das Versprechen, dass sie niemals allein sein würden.


© 14.08.2018 Gerd Groß (mehrfach überarbeitet bis Mai 2025)  

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