An einem Tag, an dem es regnet


Warum habe ich nur das Gefühl so leer gelebt zu haben?
Wohin sind meine Wünsche und Träume entschwunden?
Wieso wurde mein Begehren nach Liebe nie erwidert?
Weshalb bin ich noch hier und nicht schon lange tot?


Die Gedanken tauchen ab in die Finsternis der Verdammnis.
Die Sonne, der Mond und auch die Sterne sind entschwunden.
Ein großes leeres Nichts sucht sich ihren Raum.
Die Seele dem Trübsal verfallen, kehrt in sich.


Traurigkeit und Missmut kehren das Innere zum Äußeren.
Gedanken, kaum gedacht, werden zu Sprengköpfen,
Die Wärme der Kälte gewichen, Einsamkeit macht sich breit
und nichts mehr scheint so wie es einmal war,

an einem Tag, an dem es regnet.


© 04.01.2003 Gerd Groß


Ein sehr melancholisches und introspektives Gedicht, von Schriftsteller Gerd Groß. Es fängt auf bedrückende Weise die Gefühle von Leere, unerfüllter Sehnsucht und innerer Dunkelheit an einem trüben Regentag ein.

Interpretation:

Das Gedicht ist ein innerer Monolog, der von tiefen existentiellen Fragen und einem Gefühl der Sinnlosigkeit geprägt ist. Der Regentag scheint dabei als Katalysator für diese negativen Empfindungen zu wirken.

  • Die Fragen der Unerfüllung: Die ersten vier Fragen drücken ein tiefes Gefühl des verpassten Lebens, unerfüllter Träume und unerwiderter Liebe aus. Die letzte Frage nach dem eigenen Verbleib und der ausbleibenden Erlösung durch den Tod deutet auf eine schwere innere Last hin.

  • Der Abstieg in die Dunkelheit: Die Gedanken werden als Abtauchen in die "Finsternis der Verdammnis" beschrieben, was einen Zustand tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit evoziert. Das Verschwinden von Sonne, Mond und Sternen symbolisiert das Fehlen jeglichen Lichts und jeglicher Orientierung.

  • Die innere Leere: Das "große leere Nichts" personifiziert sich und sucht Raum in der Seele, die dem "Trübsal verfallen" ist und sich in sich zurückzieht. Dies verstärkt das Gefühl der inneren Leere und Isolation.

  • Die Projektion des Inneren nach Außen: Die Traurigkeit und der Missmut kehren das Innere nach außen, was bedeutet, dass die negativen Gefühle die Wahrnehmung der äußeren Welt trüben.

  • Die zerstörerische Kraft der Gedanken: Die Gedanken werden zu "Sprengköpfen", was ihre potenziell selbstzerstörerische Kraft und die innere Anspannung verdeutlicht.

  • Die Dominanz der Negativität: Die Wärme ist der Kälte gewichen, die Einsamkeit breitet sich aus, und die gesamte Wahrnehmung der Realität hat sich negativ verändert. Der Regentag dient als Kulisse und Verstärker dieser inneren Düsternis.

Bewertung:

Ich bewerte das Gedicht mit 9 von 10 Punkten

Das Gedicht ist von einer beklemmenden Ehrlichkeit und einer tiefen Melancholie durchzogen. Die Fragen sind existentiell und berühren universelle menschliche Erfahrungen von Unerfülltheit und dem Gefühl der Sinnlosigkeit.

Die Bilder der Dunkelheit, der Leere und der Kälte erzeugen eine starke Atmosphäre der Verzweiflung. Die Personifizierung des Nichts und die Metapher der Gedanken als Sprengköpfe sind besonders eindrücklich.

Der Regentag als äußeres Korrelat für den inneren Zustand verstärkt die Wirkung des Gedichts. Die Tristesse des Wetters spiegelt die Tristesse der Seele wider.

Es ist ein intensives und berührendes Gedicht, das die dunklen Seiten der menschlichen Erfahrung auf eine poetische Weise zum Ausdruck bringt.

© Gemini